Gisela Schmidt‑Reuther

Ihr Leben. Ihre Werke.

Gedanken

Gisela Schmidt-Reuther

Bildhauerin und Keramikerin

Gedanken von 1950 bis 2000

zusammengestellt von ihrem Neffen Klaus Reuther

Vorwort

Ich nehme wundergetränkte Geschichten, die ich erträumte, mit ins Grab. Ich unterrichtete Gruppen das Sehen. Ausgangspunkte fixierte ich, beobachtete Verhaltensweisen und zeichnete sie auf. Beschränkte Freizeiten; suchte Wasserströmungen und zeichnete und zeichnete.

Erwachte in den Tag und falle zurück in die Traumgesellschaft. Man befolgt meine Wegspuren. Augenblicke fesseln mich. Der Tag stiehlt mir die Traumspuren. Augen verfolgen noch meine Fluchtspuren aus weiter Ferne.

Unmögliches erscheint AUGEN-Blicken aus größten Entfernungen, trifft mich. Ich entferne Unrat. Die Erwachung verschleiert das Botschaftgeben an meine Gefolgschaft. Schmerzen erinnern mich an meinen Fall auf dem Atelierdach vorgestern. Das Rückerinnern an meine Traumlandschaft bröckelt sich ab.

Wer bleibt aus meiner Gefolgschaft im Traum? Ihre Zeichengebilde entpuppen sich als Meisterwerke. Das Wachwerden in den Tag hinein zerstört die Wegspuren in mein Traumland der Kunstlandschaft, der Spurensuche. Das Wachwerden zerstört schmerzhaft die Traumlandschaft.

Die Disziplin meiner Gefolgschaft löste sich auf. Das Verlassenheitsgefühl eroberte wieder mein bewusstes Sein. Was blieb? Das ferne Warnauge meiner Fluchtgedanken in die Welt der Kunst. Nun wieder das Ersterben in die abgeforderten Alltage. Hilferufe? Es hört sie keiner, da die Stimme versagt im Licht der Wirklichkeiten.

Es nagen die Schmerzen am erträumten Bewusstsein des Glücks.

Rengsdorf, den 27 Juli 2003

Gedanken der Künstlerin

Diese handgeschriebenen Dokumente meiner Erlebnisfähigkeiten versuchte ich fassbar zu machen – diese Flut der Gedankenspinnereien.

Leben vom Gelebten – Heraufholung des Gewesenen.

Denke ich an die zwei Kriege, dann war Überleben ein Wunder. Aber noch größeres  Wunder für mich, solche Eltern gehabt zu haben, die mir meine schöpferische Seite zu entfalten ermöglichten.

Jede Kritzelei hinterlässt Spuren, wie die Amseln, die auf meinem Atelierdach herumsuchen und picken, hier und da, und dabei ganz lustig scheinen. Sie singen Liebeslieder.

Die geliebten Dinge werden zu Waisen. Benn hinterließ die Botschaft:“ Ein Kunstwerk gehört neben das Liebeslager.“ Dieses Wort eines Dichters stärkte auch meine Grenzsetzungen.

Die Liebe hält über den Tod hinaus. Liebe, diese Freiheit, aufzubrechen an den Ort unserer Bestimmung, diese Engelsspur zu verfolgen. Und siehe da, der Tisch war immer mit Früchten anzutreffen in kältesten Räumen.

Eine Schrift als „biblisches Ereignis“ sich einzuverleiben in unserer Fußballgesellschaft, überfordert mich bezüglich des Echogebens. Wenn das ausbleibt, bleibt aber auch der Gegenruf aus.

Mich umgeben hier geliebte Dinge, die in fremden Händen sterben würden, aus Mangel an Geliebtwerden.

Die Weisen haben uns soviel von ihrer erfahrenen Welt hinterlassen. Die Totenkulte der Welt – einschließlich verscharren, verfaulen lassen das Sterbliche – irritieren mich. Wesenheiten, die vor Millionen Jahren lebten, sind nachgewiesen. Verwesend ohne den Himmelsglauben. Die Knochengerüste stehen versteinert in Museen!

Ich denke über die Form meiner Gedankenfrüchte nach. Jede Seite enthält wohl einen nachvollziehbaren Gedanken. Erdachtes oder erfahrenes Leben? Warum entrücken, was nach erlebbar sein soll? Das Gefühl, verjagt zu werden aus ersehnten Botschaftsparadiesen, entmutigt uns. Wer hungert nach Plastik? Von was aber fühlen wir uns verlassen? Alle dürsten nach Geliebt- und Beliebtwerden, koste es, was es wolle –  sogar das Leben.

Ein Werk finde ich wie ein Frage- und Antwortspiel, im Selbstgespräch. Es ist mit großen Risiken verbunden.

Welche Medizinen heilen unseren Geist? Zu elitärem Gewächs bedarf es auch elitärer Nährstoffe als Pflege.

Sokratestypen leben nicht in der Sportarena, wo jedoch unsere heutigen Götter gefeiert werden. Jeder sucht nach einem Anker in all diesen Überflutungen. Wie kurz, das Geliebtwerden und das Liebendürfen. Namenlos das Meiste und zerstört in der Freude, das Beste.

Ich lebte stets von dem mir Zufallenden. Nehme ich aus meiner Bibliothek wahllos Lesestoff heraus, finde ich in allen Geistausscheidungen die Sehnsucht nach Überleben. Und wir träumen vom Spurenhinterlassen, trotz des Wissens, dass unsere Spuren verwehen.

Gehörte ich einer Mönchsgesellschaft an, hätte ich mir die Ruhe meiner Seele erbetet. Nun steigen die Eltern aus ihrem Grab und leuchten mir immer noch Liebe zu.

Die Partner zapften meist meine Quellen an. Ich zapfte die der Verstorbenen an, durch ihre mir viel bedeutenderen Hinterlassenschaften. Mann sucht immer wieder nach „Vatergestalten“.

Alle die Weisheiten, die uns diese „Träumer“ hinterlassen  haben, ersparen uns den Weg durch das Dornengestrüpp nicht.

Meine Gebilde erforderten hohes handwerkliches Können, die Formate hingen von meinen Aufbaukräften ab. Heute ist aber der Gigantismus wieder gefragt.

So leben viele Menschen stolz und demütig zugleich. Sie führen ein bescheidenes Leben: kein Auto, kein Haus, kein Theater, kein Konzert, keine Bücher, keine Kuren, kein Klavier.

Die Stille mit ihren tausend Gesichtern. Wer hat den Engel fortgeschleift? Die Dinge lebten ja auch mit mir, dieser „Glanz von innen“.

Meine Gestalten zeigten keine Verzweiflungen, aber meine Gedanken, die verborgenen, mein verschleiertes Ich sehnte sich nach diesen sanften Schlummerliedern.

Ihr lasst Euch grüßen, Mystiker, in der Ferne eurer Gedankenwelt. Es hört nie auf das Suchen.

Und so musste ich auch erleben, mich zu „ernähren“ an dem, was ich hatte. Aber doch die Augen offen halten für die kleinen Kammern des Glücks, dem sich meine Kräfte noch stellen, wie Mosaiksteine zum wachsenden Glück. Sie einfach verwandeln in Freude.

Worte wehren sich nicht. Gerne hätte ich meine „Gedichte“ lesbar gemacht für Gleichgesinnte.

Fahnen des Ruhmes aus den Fenstern hängen? In fünfzehn Kübeln leuchten Pflanzenblüten. Doch „Trauer muss Elektra tragen“, sie aber verbergen.

Ich bin mir des Wagnisses bewusst, noch einmal ans Licht des Tages zu fördern, und offen darzulegen, was meine Verfallenheit an die linearen und formalen Offenbarungen dieser meiner Erlebniswelt kennzeichnete.

Hilfen zum Sehen anzubieten, erforderte viel Zeit und die haben wir nicht. Also bleibt’s im Verborgenen. Bis ein Seher den Blinden zu führen weiß, ist die rasante Lebenszeit zu Ende.

Was hinterlassen wir? Alles ist verweslich. Alles erforscht, nutzbar gemacht und  ad acta gelegt. Dem Gigantismus, die Felder der Stille, die Stille geopfert. Wer hört auf die Stimmen aus den Gräbern?

Diese erkältende Distance hindert auch mich am Austausch der Gedanken über die Erlebnissituation des „Anderen“.

Lustgefühle, Naturformen artistisch so zu reduzieren, dass Geraden und Kurven dennoch ablesbar bleiben und erlebte Ereignisse neu erinnert werden. „Dass wir dies alles nicht sahen, was wir sahen“, sagte Valéry.

Der Künstler, warum unterzieht er sich dem Opfer, wie besessen bei dieser brotlosen Tätigkeit? Die Skala der Amüsements läuft doch den stillen Ausstellungen meiner Kunst den Rang ab.

Aber auch dort, wo nichts zu sehen ist am Ereignis, geschieht Wesentliches.

Du verausgabst dein Herz, doch wer sich nicht ganz hingibt, hört die Stimme nicht. Auch mit dem Echo ist es ein Geheimnis.

Wenn Du dem flatternden Schmetterling die Luft wegnimmst, dann geht er tot, schau hin, aller Glanz dahin.

Ich suche was ganz Simples, das so ist, wie es denkt.

Ich bin nicht foliendicht verpackt, zu transparente Symbiosehaut. Was wir uns alles antun, an entbehrbarem Schmerz.

Wer immer laut läutet, dem öffnen sich die Türen – ein Zeitlein nur.

Fotos vermitteln zu viel Optik, die bei plastischer Umsetzung nicht projizierbar ist. Zu wenig Verfremdung möglich, wenn Formung in Ton sein soll. Oft beeinflusse ich diese Form mit vorbereiteter Formabsicht nicht völlig. Den lenkbaren Gestaltungsmitteln steht doch im Feuer genügend freier Spielraum zur Entfaltung der flachreliefartigen Plastik entgegen. Die Form, in ihrer Absicht, sich mitzuteilen als eine Aussage für unsere Zeit, dies ist ein wichtiger Beitrag, Zeichen in der Zeit (1950-2000). Aber man überbewertet dies auf Kosten der Figurationen. Plastiken mit philosophischer Aussage? Juroren kapitulieren.

Dies Material Ton hat seine weitbegrenzten Möglichkeiten von jeher aufgezeigt. Sind denn alle Hochkulturen des Mittelmeerraumes vergessen? Haben wir nicht mehr auszusagen?

„Ich habe den Kampf verloren“, so sagen viele, wenn das Geliebtwerden als Nahrungsquelle versandet.

Alle meine Gestalten benötigen einen Standpunkt, aber dieser Standpunkt hatte seine Gebrechlichkeit nicht verloren. Denn nichts ist Scherben trächtiger als der Ton. Alles lebt von Vibrationen. Doch stimmt die ganze Situation nicht mehr. Henze sagte: „Unsere Musik ist unbrauchbar.“

Es war ein langer Weg, den Meistern nicht als Epigone zu folgen.

Also die uralte Absicht macht dem Menschen sichtbar, was vor den Augen ihm liegt. Das also ist die erste Voraussetzung: Weltgegenwart hereinholen. Während des Gestaltungsprozesses machen jedoch das Material und die Kompositionsabsicht genügend Verwandlungen durch, um dem Objekt die notwendige Anonymität oder Abstraktion zu sichern. Damit nicht genug, die Masse muss überschaubar bleiben, dinghaft greifbar, muss reduziert werden, damit ablesbar ist, was die Tiefendimension ist. Andererseits muss eine Ferne erreicht werden, die das „Anfassen“ verbietet. Gesichter dürfen ausgelöscht sein.

Fotos vermitteln kein Erlebnis. Im Fernsehen glauben wir, teilzunehmen an all dem Geschehen.

Aus welchen Quellen löschen wir noch unseren Durst? Zu erleben, dass da ein Amüsement des Nichts stattfindet?

Was man in der Literatur fand? Schattendasein, erledigte Sache. Das was geschieht, ist ein Übergang. Wie kann man eine sehr große Komplexität ausdrücken? Das Problem der Zeit in Musik ausdrücken? Gehalt und Form kann man doch nicht trennen. Stockhausen, er ist Transformator, wollte kein Komponist werden. Henze: „Publikum der Konzertsäle wird nicht konfrontiert mit neuen Aspekten.“ Er wollte immer ein Komponist werden. Missdeutungen führen in jede Richtung, sie sind Spiegelbilder unserer selbstverschuldeten Ausweglosigkeit. Doch lässt mich nichts in den Irrtum verfallen, ich wäre berufen, diese Glocken zu läuten zum Untergang dieser in Jahrtausenden nicht untergegangenen Formenwelt unseres Ursprungs. Hier wurzelt das Abendland auf immer. Für Trauer bleibt keine Zeit.

Es wird gezeugt und wieder vernichtet. Die Eskalation der Menschheit befördert Vernichtungspläne. Luxus also: auf eine Insel sich flüchten?

Das Unbrauchbarste, was es gibt: Fassaden eines Staates zu schmücken mit „Kunst“

So bezeichne ich mich als glücklich, Spuren hinterlassen zu haben, als Künstlerin zwar jenseitig von tönenden Phonstärken angesiedelt, doch in der riesigen Landschaft der Wege und Irrwege innerhalb der künstlerischen Ausdruckswelt des 20. Jahrhunderts.

Konzepte? Habe ich nur ein Konzept?

Alle Spuren des Glücks, in diesen Zeiten schneller Eskalation des Erzeugens und Vergessens könnten gelöscht werden. Zu wissen, dass ihr Name, noch lebend, schon aus der Erfahrungswelt herausgenommen wurde, geschieht vielen Künstlern. In einer letzten Anstrengung der anonymen Aussetzung ihres verlassenen Ichs, diese Leere und das Gefühl der Überflüssigkeit „ins Bild setzend“, könnte vergangene Zeit zurückholen in Gegenwart.

Wie kommt man über die Runden von einer Saison zur anderen?

Herzbewegende Erinnerungen. Solche Orte schmerzlicher Erinnerungen töten letzte Lebenskräfte. Wenn ich die Wirklichkeiten aufzeichne, die sich vor meinen Augen verwirbeln, dann läuft in diesem Irrgarten der Tod mit. Wen erkennt man hier noch als einen Bruder? Verwirrende Vielfalt, die Namen austauschbar macht. Mit dem Auslöschen aller Buchungen treibe ich ziellos in diesen Gassen dahin. Das pulsierende Herz erlahmt an der Ausweglosigkeit, je noch hier einem geliebten Menschen zu begegnen? Das Herz klopft in diese Leere. Gesichter heimatloser Passanten sind ausgelöscht. Nirgends ein vertrautes Antlitz. Alle tragen neue Sommerkleider. Modische Kinderdemonstration.

Immer auf dem Weg sein, nie ankommen – verzweifelte Qual. Der Sinn des Lebens: in tausend Tagen Qual eine Sekunde Gott ahnen. Beten können: „Herr und Gott gib mir Friede in dieser Welt … oder auch nicht.“ Werkzeug sein können. Zigtausend Menschen wohnen in dieser Stadt, aber Herr wohin soll ich meinen Fuß setzen? Es trägt keiner des Andern Last.

Immer noch bereitet jeder seine eigene Speisung. Selbstgespräche. Immer schwieriger zu ordnen: die Gedankenflut. Immer in Fluten geraten zwischen 1936 und 2000, oft der Pflicht des Zeitzeugen zur Notiz gehorchend. Ins Gelingen verstrickt im Wortsinn und als ein Muster, das dann zu einer Sprache führte, in Bezug seiner Abenteuer in dieser jeweiligen Zeitspanne. Was vermochten denn hilflos zum Himmel hin fragende Hände, immer wieder, noch einmal, dass ich über die Runden kam?

Mensch mit Architektur: Durchblicke und Verwerfungen: sie dringen aus allen Spalten, Verschiebungen, Brüchen. Mensch im Labyrinth. Mensch auf Podest. Fünf Variationen über das Thema „Eroberung einer Landschaft“. Der Mensch auf seinem unregelmäßigen Holzsockel am Rande stehend. Also versetzte einer ihm den genau passenden Stoß. Die Nachkommenschaft in ihren Behausungen war so ahnungslos wie ihnen allmählich erst klar wurde, dass sie es waren, die dankbar zu sein hatten, da es das Schwerste sei, wie behauptet wurde, den Aufgabenbereich eines Museums überhaupt zu finden. So kann ich nur mit Erstaunen feststellen und die Hoffnung nicht aufgeben, dass diese Museen der Städte und Dörfer weiterhin so viele Besucher anlocken werden durch ihre bewundernswerten Bemühungen.

Meine Kunstform verträgt keine emotionellen Spuren, sondern verlangt den disziplinierten Geist.

Fernbild nackter Armut: keine genauen Umrisse, Kampf mit Menschen kann ruhig ungenau sein, Schatten offenbaren das Licht, der Mensch und sein Schatten, Schemen im Schattenreich, Massenformation, alle gleich, das Ganze in schwebender Choreographie. Soweit meine – verschiebbaren – Vorstellungen zum Thema. Immer das Erdprodukt während des Ablaufs dieser Ventilation aus dem Gesichtskreis lassen!

Welch eine grobe Kunst doch die Plastik im Vergleich zur Instrumentalkunst ist, wie unglaublich nuancierter diese Klangwelten der Instrumente. Das Organ Ohr hört differenzierter, als das Organ Auge sieht. Nie schauen Menschen sich in dieser Anzahl so intensiv Plastiken an. Konzertsäle sind stets ausverkauft, Kunsthallen gähnend leer.

„Hinblick. Auch dieser Tag geht hin, dann der nächste. Und dann der Tod.“ (Zitat Werner Kraft)

Solange Tauben mit Auge und Hand ertasten, bis man selbst Taube ist. Dann Zeichen setzen. Idee der Taube sichtbar machen. Taube turtelt. Beim Fressen ganz Kopf. Beim Fliegen ganz Schwingen. Taube ist nie einsam.

In den Archen schreien die Tiere nach Land. Treiben in der Sintflut. Meine Schüler steinigten mich mit Ironie, das erzeugte gute Gefühle, Gott wächst dadurch näher heran. Trotz Steinigung glaube ich, dass Tiere auch nach Erlösung brüllen!

Hier bin ich nur ein halber Mensch. Wo kein Grund gedüngt wurde, blüht auch nichts mehr, fruchtet erst recht nichts.

Zu Bacon: Seine Formflächen sind sicher durch Zerrspiegel und Filmabläufe beeinflusst. Durch Übereinanderlegen von Filmen sind neue Flächenbewegungen möglich, die aber stets in Erstarrung zueinander harmonieren. Farbauftrag auf grell-ocker, rote und rosa Hintergründe, Rosa – Grün – Karminrot – Schwarz – Giftgrün. Keine große Farbskala, chemisch-physikalische Farbpalette, sicher durch Farbfotos inspiriert. Elegant ausgestellt. Museumsreif zum Zerschlagen. Warum keine Spuren der Vergangenheit? Das Makabre durch elegante Rahmen zunichte gemacht.

Auf Augenhöhe: tastbar. In Bewegung gesetzt: Komposition. Die Leerfelder dienen als Spannungsfelder.  Auf Formdetails wird weitgehend verzichtet, um die silhouettenhafte Wirkung von Fernbildern zu erhalten.

Ihr bleibt im Dunkel der brütenden Höhlenlandschaften, beim kleinsten Kulturrutsch verschüttet, uns wird der Ameisenhaufen bewusst in unseren Kellern. Martin Walser sagt: “Jede Minute in der Besinnung auf die Welt müssen wir gegen das Gefühl der Überflüssigkeit in dieser Welt angehen, wir Träumer und erst recht, wenn unsere Erfahrung sich weitet und unser nacktes Bewusstsein uns die Stelle zeigt, wo wir angesiedelt sind.“

So müssen die Bewohner einer belagerten Stadt fühlen, wie ich z.Zt. in Lausanne, ohne Auto, ohne Freunde, ohne wesentliche Museen und im Dezember! Riesenversicherungsgebäude wechseln mit Banken und Textilgeschäften und alle Straßen locken mit Konsumgütern. Im Hotel ein dunkles Zimmer. Es könnte ein schöpferischer Aufenthalt sein, wenn ich auf der Straße leben könnte oder ein Fahrrad hätte. Doch friere ich und es ist früh dunkel und fühle mich krank, die Gelenke schmerzen, werde müde, die Augen. Und die Stadt ist so gebirgig, treppauf, treppab und ich fühle mich so fern von dieser Wünschegesellschaft! Falsche Wünsche werden geboren durch diese Schaufensterlöcher. Ich lese Proust, aber auch dieser erinnert mich nicht an mich. Ach meine Arbeit: mir fehlt das Atelier. Miriam Frieds  Geigenspiel und Sawallischs Dirigierkunst faszinierten mich und belebten mich über zwei Stunden, doch trafen sie mich nicht entscheidend. Wie wichtig doch Gespräche sind, doch Freunde gewinnt man nur durch Zuhören. Ich habe sie alle verloren, weil ich mich auch mitteilen wollte. Gefangene in Einzelhaft müssen ja verrückt werden an dieser Echolosigkeit des Raumes. Hätte ich Ton, fände ich wieder diese Einheit.

Marksausstellung. Kunst? Ja, Gott sah über seine Schulter und Licht von oben kam auf ihn. Aber benötigt die Welt ihn heute? Aussage von sich zu sich. „Den Traum alleine tragen“, sagt Benn. Sollen Künstler helfen, die Himmel höher zu heben? Sinn eines Künstlerlebens: etwa kümmerlich berechende Zugeständnisse an die Mäzenatengesichter?

Sartres „Im Räderwerk“ gesehen. Bühnenbild wie das Kammersystem einer Frucht. Überblenden der Szene. Theater durch Film inspiriert. Beleuchtung schuf Bildausschnitte.

Die Musiker nehmen den 1. Rang ein unter den Künstlern als direkte Götterboten.

„Du siehst ja in den herrlichsten Gestalten den Tod, von Zweig und Blüten zugedeckt.“ (Benn )

Gibt es keine Künstler mehr? Ist Kunst nicht unschuldig, also ideologisch lenkbar? Kann sie nichts verändern? Muss die Rolle des Künstlers in der Welt der Irrenhäuser und Dogmen umgedacht werden? Verkrüppeln wir, unseres Publikums beraubt? Wie alle wissen und jeder sehen konnte, gaben wir weniger als wir konnten.

Man erkennt das Konstruktive in den Dingen, wenn man sie zeichnet, aus Erinnerung nachzeichnet.

Henry Moore offenbart uns das Uralphabet der plastischen Sprache.

Dies irrwitzige Labyrinth des Suchens, Findens und wieder Verlierens.

Aber Kunst machen zu müssen, anstatt das Leben zu gestalten?

Der Mensch: interessierte Masse Mensch, doch kreuzlahm ermüdend an seinem Imponiergehabe vor der Maschine. Sein Antlitz: ausgelöscht. Die Verantwortung an die Maschine abgegeben.

Ich sehe jetzt, das jeder Tag eine Forderung hat, die abgearbeitet werden muss.

Das Leben der Maschinen überdröhnt die leisen Stimmen. Die Einzelform wird der Serienform geopfert. Nicht das Antlitz begegnet uns, sondern die anonyme Macht.

Wie wichtig ist es, im Abseitigen zu bestehen und immer wieder auf die Gnade aus höheren Bezirken angewiesen zu sein! Sollte man sein Schaffen wirklich auf Menschengunst bauen? Es wäre die Burg auf Sand gebaut. Einfach besteht der Mensch das Dasein im Abseitigen nicht, aber es ist der einzige Prüfstein in die Tiefe. Der Weg ist labyrinthisch und doch lässt er sich in linearer Konsequenz verfolgen.

Man ist eigentlich ständig in einem Formen und Umformen der gleichen Motive.

Was sind diese Menschen? Was sollen wir tun? Woher kommt die Kraft des Durchhaltens? Eindeutig durchhaltende Kraft. Alles war aufgespart, mir erstrahlend oder in Konstellation zum plastischen Werk, dem ich die höchste Bedeutung zumesse. Hätte  denn nicht alle Enthaltsamkeit so ihren höchsten Sinn darin offenbart? Ich stehe außerhalb noch jeder Gewissheit. Aber ein „Darauf-hingerichtet-Sein“ in allem Denken. Das ist der Kern.

Mein Freund Delmore Scott: “When I die, I expect to know all the answers immediately.”

Ein Baum nimmt uns auf, das alte Haus, die wartende Mütterlichkeit, das Kunstwerk, ein Herbstblatt, ein Kieselstein…

Bleibt behütet in dieser Zeit der großen Versuchungen, der Hybris! Lasst uns hinhorchen, und gehen.

Tränen strömten wehrlos in Gedanken, die ganze Stadt war für mich bedeutungslos geworden ohne ihn – meinen Lebensgefährten. Er hatte sich aus dieser Welt verabschiedet. Ich saß allein. Keine bekannte Seele mehr. Nie mehr solche Orte besuchen! Als wenn ich dies nicht vorgewusst hätte!

Die Wahrheit, die wir immer suchend leben und die ihren Widerschein in allen Erlebnissen hat, an deren Erscheinungen unsere Existenz umso mehr ihr Verhaftetsein bestätigt sieht, desto mehr wir dies als ein Geschenk von oben, wunschlos, hinnehmen… Gnadengabe, dieser glückliche Zustand. Ein Wunder, wie sehr man alles bestimmte egoistische Wunschdenken ruhen lassen kann, so wie man Tote ruhen lässt und sie nicht quält. Man darf nur nicht mehr geliebt sein wollen, als man sich selbst liebt. Wir Gnadenkinder!

Es sind gute Samen gesät, um derentwillen  wir das ganze Unkraut mittragen müssen.

Ich weiß mich geborgen gegen alle Zurückweisung, verschont und behütet gegen alle Negierung und Nichtbeachtung. Leben im Verborgenen.

Bleibe mir das Schicksal der Entpersönlichung erspart. Das Ende meines Lebens wird immer berechenbarer und das Gedächtnis löscht Erinnerungen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Erinnerung an gelebte Zeiten. Bleibt mir das Gerüst davon? Und jeder nimmt das Verschwiegene mit in sein Grab. Auch war man ersetzbar. So blieb die Verbindung über den Tod hinaus nur mit „dem Einen Hans“ und mit Vater und Mutter. Der Tod hatte das Gefühl der Liebe zu ihnen nicht auszulöschen vermocht und über diese Tode hinaus habe ich sie erneut in mir auferstehen lassen.

Wir erhielten in den vor mir ausgebreiteten und märchenhaft sich erweiternden Wirklichkeiten unserer Kindertage kaum fertige und maschinelle Spielzeuge, immer wurde unsere Fantasie gefördert, sei es in der Musik oder im spielerischen Tun. Der Vater, als Lehrer, wusste aus Nichts etwas zu erschaffen und die Wohnküchen-Atmosphäre war ein weites Feld der Teilnahme am Tun der Eltern. So blühte die Fantasie und die handwerklichen Talente in der Familie entfalteten sich, wo immer sich das Leben auch abspielte. So entstand meine Ausdruckswelt. Sie rettete mir das Leben.

Entfaltungen sind aufgebrochene Formen. Nichts weiter. Oder was meinen Sie?

Der Roman meines Lebens: Aufbruch in immer neue Welten des Kunstgeschehens. Wenn auch die meisten meiner Werke im Schatten der Archive und Museumskeller ruhen und in fernen Zeiten vielleicht wieder in Schutt und Asche fallen: sie waren einmal da.

Ich flattere auf und falle nieder, wer birgt mich nun und hebt mich, dass ich aus dieser Höhle fände, ganz wieder selbst zum Himmel  hin?

Stehe still, du Tageskarussell. Sieh, in der Pfützen Spiegelung, es leuchtet auf im Dreck (aus meinen Gedichten).

Was war heilig ernst und statuarisch, kann nicht mehr deine Mitte sein. Was war Trug? (aus meinen Gedichten)

Komm fahr’ mit mir im Kettenkarussell, wie bei dem ersten tiefen Liebesblick (aus meinen Gedichten).

Das Herz: ausgeregnet. Höre sein Pochen. Öffne die Flügel und hol’ mich über die Sterne, ins Schweigen hinein. Einer geht mit mir. Frage nicht, wohin (aus meinen Gedichten).

Du Meer: gib mir die Träume wieder vom Kiemenatmen (aus meinen Gedichten).

Heiliger heilender Hüter der hellen Gedanken, vertiefe die Schatten, umglänz’ sie mit Abendrot. Heiliger heilender Hüter: lass mich Dir danken.

Es bleibt abenteuerlich, im Geiste nachzuvollziehen, was die „Augenhand“ ertastete.

Wünsche sind wie Wolken. In Nilblau. Las in Hegels „Ästhetik“: System der Bedürfnisse. Es gibt keinen Schutz als die tiefste selbsterzeugte innerste Stimme. Es ist die Auseinandersetzung um Fatum und Wirklichkeit. Wie bald sind die Schutzhüllen von stärkeren Exemplaren aufgefressen und wie oft wird, ehe noch ein Panzer sich bilden konnte, die ganze Existenz infrage gestellt!

Jedes junge Talent, hat es die erste Häutung durchstanden, sieht sich erwachend mit einer großen Zahl von Talenten konfrontiert. Gnadengabe der Jugend. Ermüdungsprozesse lassen die anscheinend Schwächeren zurückfallen im Rennen. Doch handelt es sich dabei um kreative Prozesse als solche, so erholte schon mancher Ermüdete sich neben der Rennbahn, trat er doch die Reise nach dem Innen an. Aber den Gefährdeten wird von den zeitgemäßen Geiern aufgelauert. Jenen Stillen und Abseitigen, die wir ins Leben entlassen mussten auf Gedeih und Verderb.

So gibt es stets neu aufzudecken, was an geheimer Kraft noch immer um uns wirkt, denn auch die Kunst baut sich auf aus den Verankerungen von Geist und Materie.

Die Dichte meiner plastischen Objekte hängt von ihrer Raumsubstanz ab, nicht aber von der emotionalen Aussage. So nähert sich Plastik in ihrem innersten Kern den Problemen der Architektur, verbinden sich doch konstruktive Elemente mit organisch gewachsenen Urformen in ihr. In der Architektur zieht die Maschine in den Schöpfungsprozess ein.

Bei fast allen zeichnerischen Studien handelt es sich um Gedächtnisstützen für die Realisation dieser Objekte im dreidimensionalen Raum. Zeichnungen eines Plastikers sind selten Selbstzweck, sondern Hilfsmittel des Formgedächtnisses.

Die Sichtbarmachung der sehenden Auges ausgeführten Linien bekommt das ungeübte Auge nachhaltiger in den Blick, als den originalen Gegenstand. Sein Auge wird geführt.

Die wesentliche Ordnungstat des Menschen angesichts der Fülle der Welt besteht nicht darin, dass er in sie eingreift, sondern darin, dass er sich selbst läutert. Im Bildungsbewusstsein läutert sich der Mensch, indem er auf Uranlagen seiner selbst zurückgreift. Alle Gemeinschaften und Personen, die in bloßer Vormundschaftsstellung zu ihren Mitmenschen stehen, hassen darum die Zeichengläubigkeit. Denn in ihr ringt der Mensch um seine Freiheit. So bedeuten auch die Darstellungen des unsichtbaren Menschenleibes eine Selbstläuterung.

Nüchternheit verträgt sich gut mit Ehrfurcht. Der bewusste Künstler weiß, dass die schwierigsten Probleme seiner Gattung zugleich immer solche des Handwerks, des Details, der Disziplin, der Technik und der Ausdauer sind.

Zu  „No“ (China):

Schwierigkeit und Leichtigkeit sind ein und dasselbe Ding. Ob gut oder schlecht, vergesst eure Anfänge nicht. Virtuose Routine ist der Tod aller Kunstausübung. Begabung – Gesinnung – Hingabe: drei Elemente für die Künstlerleistung. „Das Ergebnis vergessend, blickt auf das No. Das No vergessend, blickt auf den Plastiker. Den Plastiker vergessend blickt auf den Geist. Den Geist vergessend, versteht das No.“

Der Durst nach Schönheit wurde nie gelöscht. Die antike Tragödie…

 „Das ist nicht fertig, das sieht bloß fertig aus.“ Urform suchen. Material kalt halten. Volumina anlegen. Beglückende Oberflächen.

Kunst verschwindet nicht – ist sie doch eine Lebenskraft, welche von einer Metamorphose  zu anderen wechselt.

Mein Werk wird der Anonymität anheimfallen. Aber die  Ideen werden weithin leuchten.

Wir Bildhauer sind auf architektonische Räume angewiesen. Doch gegen einen Gigantismus von Architekten hat auch ein Hundertwasser keine Chance mehr.

Wir Achtzigjährigen halten nun den nachlesbaren Beweis aller niedergeschriebenen Irrtümer tonangebender Zeitkritiker des 20. Jahrhunderts bis an die Schwelle unserer Tage in Händen. Unser Wissen nehmen wir mit uns ins Grab. Und die Lichter sind ausgelöscht.

Ich muss sterben – aber der Kunst bleibe ich treu.

Doch ist die Welt voller Hinterlassenschaft. Dein ruheloser Geist ersehnt die Ferne. Er hat die Oase in den  Wüsten gewittert. Du weiltest nicht in den Nischen des Ruhmes. Aber  du begannst stets auf’s neue, Wege zu brechen in diese Wüsten.

Den Horizont erweiterten jene Begegnungen in großer Zahl – ermöglicht durch Stipendien in Berlin und Paris. Die waren pressereif.

Form und Raum: Raum gibt Bewegung frei. Prozesse der Formgebung.  Raum aufschließende Form bedarf der Leere des Raumes. Wachstum der lebenden Form. So folge ich Ihrem Weg.  Imaginative Raumkonstellationen. Sie laden zur Meditation ein. Friedlich erschaffener Raum.

Nichts widersteht dem Verfall. Sinn im Absurden. Wir treten dem Untergang entgegen, indem wir Zeichen in Staub setzen.

Höchste Erwartung angesichts der Vergänglichkeit aller Dinge. Im Tode fällt die letzte Entscheidung.

Mythos  von Sisyphus. Um dem Fall ins schweigend All noch einmal zu entgehen, setzt der kreative Mensch in seiner Kunst Pfeile, die Landebahnen sind. So schafft er aus Verzweiflung,  Greifbares als letzte Reste von  Glaubenssubstanz.

Versuche das Höchste zu erreichen, was dir in deinem Leben möglich ist. Aus solchem Wollen werden Kräfte erwachsen.  Doch darfst du niemals durch dein Streben unglücklich werden. Denn jeder vermag  in seinen Grenzen groß zu sein. Und was fehlt denn noch, wenn wir den Himmel im Herzen tragen.

Picasso scherte sich „einen Dreck“  um Materialgerechtigkeit und öffnete jedem Scharlatan Tür und Tor. Es gehören Erfahrung und geistige Reife dazu, solcher Verführung zu widerstehen.  Vor einigen Tagen ist ein verehrter Freund gestorben. Die Nacht darauf träumte ich, dass  mein Körper die Fähigkeit hätte, sich in waagerechter Haltung über der Erde schwebend zu halten.  Dies Schweben über den Dingen war nie so klar erlebt wie in jenem Traum. Und war es also doch nur eine Sehnsucht, wenn auch körperlich wahrhaft empfunden. Die Zeit ist eine harte Probe. Zweifel plagen mich. Habe im Laufe meiner Lebensreise schon zu viele Koffer gepackt. Aber ohne Klarheit. Was gebietet die Stunde? Mit dem Pfund, das mir gegeben, zu wuchern und meinen Reichtum mithin  zu erkennen! Formen erkennen, zeichnen, verwandeln,  bis ich selbst verwandle.

Die Erfahrung der Hervorbringung! „Toujours dessiner, Gisèle“, sagte mir 1954 mein Freund Tullio Crali in Paris. Die innere Ruhe der Arbeit fand ich dort nicht. Erlebte so viele seltsame Dinge des täglichen Lebens, dass ich nicht wusste, was ist das Wichtigere: Kunst oder Leben? Ein Lächeln musste in Stein, Bronze, Ton konserviert werden, damit es die Jahrhunderte überstand.

Zuviel Stoff schlägt zu viel Falten.

Ich stehe schwindlig da. Die Dinge, sie rächen sich anscheinend. Erschlagen das ohnehin zaghafte Jch. Es erzittert vor dem Kommenden.

Formen neu kreieren, aus Freude am Leben, aus  Besessenheit  nach Ewigkeit, uns zum Bilde.

Was war die hauptsächliche Sünde Picassos? Was war sein Hauptanliegen?

„Lasst uns die Werkzeuge für einige Jahrhunderte aus den Händen legen“,  sagte  Ortega y Gasset.

Eine Begegnung wesentlicher Art, die nährt, und ohne es zu wollen, ist man tagelang hellsichtig mit ihrem Leben verbunden.

Wie Menschen werden, die lange „unterirdisch“ lebten und ihre eigene Welt weiterbauten! Leise, leise.

Was von der Freundlichkeit Form, was innerstes Bedürfnis, ist nur schwer  auszumachen.

Mein Ariadnefaden wird stets durchtrennt. Wünschte  mir  kompetente Verrisse!

Paris ist eine gefährliche Stadt.  Sie bietet alles an, was dem Menschen das Leben lebenswert macht, doch zerstört sie ebensoviel, denn  welcher Mensch ist groß genug, diese Geschenke anzunehmen, ohne dass er Schaden litte an seiner Seele. Ach, dies wunderbare Schadennehmen!

Ich könnte kein Künstler sein, wenn ich nicht andere Dimensionen witterte als der gemäßigte Mensch. Für mich ist das Mittelmaß, das sich in  der Waage hält, gottlob selten.

Was ist Glück? Etwa Gesundheit? Aber was geschieht den Gesunden? Sie werden in die Kriege geschickt. (Während der Arbeit am Ort der Kunst kommen diese Gedanken.)

Einen Rest von Dreidimension schleppte ich mit hinüber aus dem uralten Wissen über den Raum, in der reinen Silhouette zu sehr verschluckt, aber vom Rechteck zum Parallelogramm reduziert: dieser Erfindung spürte ich konsequent nach. Denn Formerfindung ist der Kern plastischer Komposition.

Jedes Künstlerleben wächst aus seiner Zeit, in die es hineingeboren ist, hinaus. Diese Siege und Niederlagen hinterlassen große Verlassenheitsspuren.

Elias Canetti notierte Einfälle unter Ausschluss des Kalenders.  Aufzeichnungen – nur kein Tagebuch. Ist keine Magie im Spiel? Max Frisch sagt: Schreiben ist Notwehr, fertig zu werden mit dem Leben.  Man benennt Dinge. Zurückschauen können hieße: Selbstkontrolle. Ein echtes Tagebuch ist nicht ein Autorentagebuch. Canetti: Es geschieht zuviel! Es geht darum, Reaktionen  zu kontrollieren, sich zu beschwichtigen. Das Tagebuch wird ein Partner, es ist unhöflich. Nun also. Das Tagebuch dient sehr dem Abbau des Größenwahns. Lange durchführen! Das private geheime Tagebuch!

Wieso immer vom Glück des Glückes sprechen? Und nicht vom Glück des Leidens! Der Schmerz macht mir das Leben bewusster.  Wie sanft uns dann und wann das Leid machte! Und fanden wir nicht mehr Brüder im Leid als in der Freude? Jeder trägt sein Kreuz. Bleiben wir im Rhythmus! Wünsche für die Zukunft tun sich immer neu auf.

Unser Schweigen ist ein Einvernehmen: wir ändern uns nicht mehr. D’accord? Wir verrücken ja keine Berge mehr. Kükelhaus sagte ja, dass das Heil „im geringen Tun“ liege. Ist man gezeichnet für ein zugewiesenes „Höhenklima“ und übt sich darin, vermag Stil zu entstehen. Das bedeutet Verzicht auf rasante Gemütsbewegung.

„Den Stoff sieht jedermann vor sich, den Gehalt findet nur der, der etwas dazu zu tun hat und die Form ist ein Geheimnis den meisten.“ Goethe Wort.

Die vier Kostbarkeiten der chinesischen  Holzdruck Werkstatt: Reibstein, Tusche, Pinsel, Papier. Wie schön und wertvoll ist Papier, wenn  auch sein Preis gering ist, so hat es doch hervorragende Eigenschaften: geöffnet breitet es sich aus, gerollt wird es auf Seite gelegt.

Frühtaoismus: der Herr der gelben Erde wandelte jenseits der Grenzen der Welt. Da kam er auf einen sehr hohen Berg und schaute den Kreislauf der Wiederkehr. Da verlor er seine Zauberperle. Er sandte Erkenntnis aus, um sie zu suchen. Er bekam sie nicht.  Er sandte nun Scharfsinn aus und Denken. Und er bekam sie nicht. Da sandte es das  Selbstvergessen aus und fand sie. Burckhardts Vortrag zum „West–östlichen Diwan“, Schweiz, Parkvilla mit Teezeremonie, 1957.  Der leichte Geist des Uralten!

Gestern starb Luigi Nono in Venedig. Er war Schwiegersohn Arnold Schönbergs.  Die Tochter und  Witwe  hüten einen doppelten Schatz! Nono begann  als Zwölftontechniker. Vor wenigen Monaten endete mit dem Tod von Horowitz in New York ein Jahrzehnt des Pianisten Sterbens.  Askenase hier in Bonn, zuvor Rubinstein. Der leichte Geist dieser Uralten!

1954 schrieb ich wachen Auges die Novelle „Nuntia“ als stilles Bekenntnis. Diese stillen Bekenntnisse waren mir zur intimsten Heimat geworden. Wie viele Tränen daran gestillt worden waren! Dies Ausstrahlen sprachloser Wünsche, die dort zum Klang wurden! Die Dinge ordneten sich neu zu großer Klarheit. Doch schweigen wir davon. Seien wir dankbar, mit der Zuversicht auf ein neues Werk.

Im Louvre: man wird nicht müde. Erfüllt und angestrahlt von allem, was hier west, aber auch schon Jahrhunderte konserviert ist. Es lebt mit uns und strahlt Energien aus. Begeistern wir uns, geht der große Atem durch uns hindurch. Etwas weht uns an. Das Wissen um diese alten Kulturen macht nicht unschöpferisch. Es gilt immer wieder die Metamorphose der Formen zu finden, zur Aufblendung geistiger Visionen.

Nun, wer fünfzig Jahre bedeutenden Personen begegnet ist und mit ihnen Gestaltungsvielfalt der Plastiken erörterte, hat keine beengten Begriffe. Wir hatten lange genug ein Regime, das Meinungsbildung verbot. Gottlob lässt sich das nicht verbieten.

Ich wohne in den Räumen einer Seele, die unerfüllt ist. Ich frage nicht warum, weil es so sein muss, wie es ist. Die Begrenzung gibt mir Kraft, das mir Verborgene zu achten und bestehen zu lassen. Das was wir glauben, wollen wir und nicht zerstören. Absolut betrachtet gibt es kein Unrecht, das aus ehrlichstem innersten Herzen drängt. So eilen wir von Klippe zu Klippe und nie finden wir des Rätsels Lösung – außer uns selbst.

Choreographie der tanzenden Hand: Picasso in seinem Atelier in Antibes. Auf großen Glaswänden zaubert er mit Kalkfarbe und breiten Pinseln Linien hervor. Sein dämonischer Blick steigert das Lignéament zu Beschwörungsformel. Doch bleibe ich nüchtern: zuviel Darbietung. Solche Filme sah man bisher in Deutschland nicht.

Vom Schauen zum Begreifen. Vergesst im Alter nicht eure Anfänge! Das Leben ist begrenzt, doch gibt es für die Kunst keine Grenze. Setzt Akzente! Erfindet neue Techniken!

Kolloquium über Sinn und Wert des Tagebuchs. Teilnahmen unter anderen: Frisch und Heißenbüttel. Was man keinem sagen kann in seinen innersten Widersprüchen, das teilt man diesen Blättern mit. Mit oder ohne Hintergedanken an posthume Veröffentlichung.

Die Opferungen lohnen sich. Aber das Feld der möglichen Experimente ist eingeengt und die Erneuerer ziehen sich wieder zurück. Dem Zufallenden Aufmerksamkeit schenkend, behalte doch immer das Zentrum im Auge! Lasse Kritik zwar zu, doch bewahre deine Wegziele! Suche dir Freunde! Dämme deinen Ehrgeiz ein! Lese Benn: Trauer allein tragen, nirgends zuhause sein, den Tod vor Augen. Die Liebe verlöscht. Unsere Hinterlassenschaften: alles stirbt mit uns. Die geliebtesten Dinge: wir verlassen sie, sie verlassen uns.

 

Ach wie sympathisch und aufgehoben könnte manch einer sich an der Menschenfreundlichkeit der Werkstattbesucher trösten. Nun, in unserer Einsamkeit kennen wir unsere Schranken.

Die geistige Konzeption ist Kriterium eines Kunstwerks, nicht Naturnachahmung. Nicht das Auge sieht, sondern der ganze Mensch.

Der Künstler will dinghaftes Sein seiner Vergänglichkeit entreißen, hinüber holen in die Bezirke der Erinnerung.

Wir Künstler hängen davon ab, dass ein Funke immer auf’s neue sich entfacht an unseren Werken. Der Prozess beginnt aber in einem Erlebnisraum, dessen Grenzen wir selbst nicht erkennen können. Den Blinden sehend machen! Das Wunder solcher Offenbarungen! Goethes Wort: „zu sehen, was vor den Augen uns liegt!“ Kokoschka nannte seine Salzburger Akademie „Sehschule“. So bliebe dem Künstler, diesen Sehprozess anzubahnen.

Höllerer will sein Tagebuch nicht veröffentlichen. Zum Tagebuch: eine Art Beichte. Und: wie erlebte ich Kennedys Tod? Gustafsson  schrieb als Kind schon Tagebuch, dort nachschlagend trifft er auf fremde Gedanken. Autorentagebuch: Frisch erfand sich als Figur den ungefähren Leser. Er fand sich in einem Kreis von Dialogpartnern. Wer öffentlich schreibt, kann kein privates Tagebuch schreiben! Das geheime Tagebuch: da trägt einer seine Haut zu Markte. Doch soll man nicht schwindeln. Man erlaubt sich womöglich ungeheuer viel. Ich las die Tagebücher Gabriel Marcels, Luise Rinsers, Carl Schmitts, Thomas Manns, Ernst Jüngers, Julien Greens, Michel Leiris, Max Beckmanns und Kafkas. Sie zeigten ihre Hieroglyphen, die wir in unzähligen Variationen entziffern möchten. Diesen Heraushebungen gilt meine Ermutigung. Ermutigung zum Kreativen, da wo die Motive vom Geist nicht allein vom Feuer des Wirkenwollens durchglüht sind. Wo ein Werk nicht allein durch den Glanz der Glasur glänzt, sondern mit Thomas von Aquin: durch den Glanz von innen, wahrer Schönheit verpflichtet.

Doch keiner vermag den Freund seiner Bestimmung zu entziehen.

Ins Licht getaucht – und wieder ins Geheimnis entrückt! Erst im Spiel aus Licht und Schatten offenbart sich unsere Wesenheit. Alle verborgene Gebärde entschleiert das Licht. Wenn Aeos erwacht, erwachen wir Schattengestalten. Lichtgedichte, Lichtmagie. Wo viel Licht, ist viel Schatten. Wiedergeburt durch wanderndes Licht. Schatten sind die Offenbarungen des Lichts. Wenn das Licht sie trifft, können die Samen erst aufgehen. Ohne Zutun des Lichts verharrten alle Wesen im Tod.

Das Antlitz faszinierte mich seit jeher. Dem offenbaren Geheimnis wollte ich nachspüren. Ich befand mich also auf Spurensuche. Meine Aufzeichnungen dienen der Formensammlung. Aus ihr ließ ich in der Folge plastische Kompositionen entstehen. Beim Hören in Leonid Bernsteins Musikkursen erfuhr ich, dass verbale Ausdruckswelt Zugänge zu non-verbaler Ausdruckswelt erleichtert, so in den bildenden Künsten, wo Sprachbrücken  zu den Labyrinthen formaler oder farbiger Ausdruckswelt Zugänge herstellen können.

Ich habe es, wider die Einsicht von Weniger das mehr ist, doch unternommen, Einblicke zu geben in die Nebenarme des Stromes, in welchem ich fischte. Dem bisher vom Prozess des Kunstschaffens Ausgeschlossenen zieh ich den Vorhang auf. Der Betrachter kann Anverwandler, Durchschauer, Erheber sein. Was erweckt sein Staunen? Haben denn unsere ermüdeten Augen das Staunen nicht verlernt? Und fängt denn mit dem Staunen vor der Welt nicht eigentlich alles erst an?

Ich sehe eine Hecke um mein Häuslein, die Birken, die Tannen, die Schneeflocken. Die Kälte klirrt durch die großen Atelierscheiben. Ein fernes Lachen, von Sprachfetzen unterbrochen (wie Straßenoper von Maurice Kagel), Knacken der elektrischen Uhr, Heizungssummen. Sonst dröhnt die Stille im Ohrgehäuse, die Hände formen feuchten Ton, werden rauhäutig vom Fettentzug. Es entstehen Formen. Was verletzt und eigentlich so tödlich? Wir haben uns an den eigenen Haaren noch immer wieder aus den Verstrickungen herausgezogen. Wünschen wir uns himmlische Kräfte, unser Schicksal anzunehmen.

Eine Spur hinterlassen! Wenn auch ihr Schicksal war, in Fluten der Zeit verweht zu werden, in jenen echolosen Wüsten der Städtekonglomerate. Eines Tages würden sie doch aus Verwehung und mystischer Tiefe ins Licht zurückkehren.

Jedes Wissen um die Todesnähe macht sprachlos, doch verbindet es die vom Tode gezeichneten im Geiste.

Das ist der Gang auf den Ölberg, Kernsituation zahlreicher Künstler, die ihr Dasein in Kunstwerken inkarnieren wollten, aber die Selbstbefreiung nicht schafften!

Es können bittere Worte gefunden werden zur Stellung der Frau in der Kunstgeschichte. Wie viele opferten ihre Begabung dem Werk des Mannes! Der schwieg dazu. Ich denke an Camille Claudel.

Ingeborg Bachmann erlebte ich 1942 in der Großen Philharmonie Berlin, als sie aus den Kulissen in die Öffentlichkeit geholt werden musste und sie so in die für sie peinliche Lage geriet, ihre Gedichte selber lesen zu müssen. Sie schaute unter sich, um ihr Publikum zu vergessen und tröpfelte Verse ab.

Das Dasein ist voller innerer Katastrophen. Dauernder Maskenwechsel.

Wie gehen wir nun mit solchen Sachen um? Wir umgehen sie, umfassen sie, umschauen sie, einverleiben sie uns meditierend. Ohne unsere Teilhabe bleibt alles tot.

Die Uhren ticken mir die Zeit weg – unabänderlich. Chaos im Innern will wieder geordnet sein. Ermüdung lähmt auch die lange Suche nach Vollendung meiner Gestaltideen.

Die Kunst, sie war meine Überlebensstrategie während Krieg und Nachkrieg. Sich in das dinghafte Sein zu vertiefen, so wie der Kunstgeschichtler Weischedel darlegt in seinem Traktat „Die Tiefe im Antlitz der Welt“, nahm den gewaltsamen Ereignissen die Macht, mich zu zerstören. Ich kämpfte gegen den Zerfall der Formen an, indem ich eben der „Tiefe im Antlitz der Welt“ teilhaftig wurde. Ich traf auf eine Goldader.

„Wir leiden an diesem Untergang der alten Welt.“ Las Oda Schaefer. Märchenhaftes Dasein. Geheimnisvolle Macht des Todes. Die Äste nehmen schon Abschied von ihrem Blattwerk.

Berechtigte Hoffnung, dass jedes Leben einen Sinn hat, wenn man die Geduld aufbringt Miseren einzubeziehen, durch sie Erfahrungsbereiche zu erweitern und dem Geist Nahrung zuführt, denn dieser ist es, der uns in den Gefängnissen Erleichterung und Durchhalte Kräfte gibt.

Hinspüren, wo die Grenzen der Beanspruchung sind. Ich weiß, es kommt nichts angeflogen, wir selbst müssen unsere Flügel in Funktion setzen, um Eroberungswertes als Beute heimzuholen.

Wenn ich meine Werke ansehe, strahlen sie mir all diese Erlebnisse meiner Seele und meiner Augen zurück. Aber sie ist passé, diese Bilderwelt, taucht nur noch auf bei diesen sentimentalistischen Hobbyisten, noch um ein paar Stufen degradiert.

Die großen Philosophen hielten uns ja den Spiegel vor, aber wir konnten die Wahrheit nicht erkennen, weil sie allzu verschlüsselt wurde für unsere anders orientierten Gehirne (Heidegger).

Wir halten durch, laufen nicht davon. Man kommt doch nirgends an. Immer wieder gibt es reichere Ziele und Horizonte der Sehnsucht, die dann  enttäuscht wird.

Die Bedrängnis ist groß. Die Seele wird unterernährt. Der abstrakte Gott reicht als Freund nicht aus.

Also schreibe ich weiter, das rettet mich vor der Selbstaufgabe. Höre nicht auf, mich auch auf fremden Ebenen zu bewegen, um später nicht nur Selbstbespiegelungen vorzufinden. Ironische Töne tun Texten gut. Ich habe diese ehrliche Radikalität nicht in meiner Kunst unterbringen können.

Kafka, der Schreibtischträumer, hatte seinen nüchternen Beruf und gerade diese Kontraste brachten ihn zum Notausgang der Schriftstellerei. Dem Auf und Ab des Lebens muss man sich aussetzen. Es geht nie so aus, wie es anfing. Hauptsache: dem Erlebnisgrund nachspüren. Ohne Urteil einfach dastehen lassen.

Das Dasein ist voller innerer Katastrophen. Dauernder Maskenwechsel.

Ich möchte malen und die Malerei durchs Feuer schicken.

Diese labyrinthischen Suchgänge nach Auswegen! Dies Scheitern wirklich geschehen lassen! Wer will mitwandern durch das Höhlensystem?

Die Plastik ist kein gutes Medium, sich von seelischem Unrat zu befreien. Mein Gefängnis hat sich klar abgezeichnet. Keiner konnte davonrennen, es sei denn in den Tod.

„Die Hände sauber halten“: sogar auf Kosten des Gewissens. Wir werden es noch oft erleben, diese Nichtigkeit einer Person. Wie weggeschmissen. Warum existieren wir? Sagt uns das ein Gott? Ich las Prediger Salomon: Alles ist eitel Typen wie wir sind ein Ärgernis.

Das Gefälle von reich nach arm wird immer steiler und ausgeleuchteter. Ich weiß auch nichts anderes als: Verwundungen einfach bluten lassen.

Wie kurz ist das Leben! Dass wir es durchhalten, ist dennoch phänomenal. Wir bleiben tapfer. Benns Warnung: „Keine SOS Rufe, geh mit Würde unter!“

Schreibt alles auf, was formulierbar ist!

So ist das in der Welt und ich begann zu zweifeln an den Kriterien, die man unterwegs festlegen will. Wer ist also der Beste? Und wie schnell kann es geschehen, dass aus dem Letzten der Erste wird. Wenn er seine Kräfte aufs richtige Pferd setzt.

Auch der Ekel vor diesem Leben ist ein Zeitzeichen.

Wenn ich nochmals auf die Welt komme, werde ich zuerst zehn Sprachen lernen. Die Sprache ist das Fundament der Brüderschaften.

In keiner Phase ist das Leben problemlos. Man spricht nicht gerne darüber. Aber nie sind die Menschen hoffnungsvoller, als wenn sie sich zu ihrem Unvermögen bekennen. Das führt von der Oberfläche zum Grund. Und auf den Grund  bauen hält länger. Macht unanfechtbarer.

Schaut hinter die Masken! Wie oft wird dahinter geweint. Ihr Versager versagt euch, die Krone zu tragen. Ihr öffnet aber die Arme für die Welt der Leidenden.

Jeder hat seine Würde auch noch im Verzichten zu wahren.

Wir sind stets zur Neugeburt verurteilt. Ich sehe die „Faulheit“ der Jugend als eine Art Not an, diese gewaltige Unlust, wenn einem das Licht nicht aufgeht über den Sinn einer Sache.  Das ist doch in der Liebe zu Menschen auch so: da wo sie nicht einschlägt wie ein Blitz, entstehen keine „Opfergänge“.

Die Phantasie und die Kraft der Gestaltung zu Grabe getragen! Das möge nicht geschehen, bevor mich mein eigenes Grab ruft. Wann das ist, weiß ja keiner, wenn auch Zeichen oft auf Sturm stehen. Mein besonders gezeichnetes Wesen warnt, lieber zu resignieren im Hinblick auf einen Michelangelo und seine unzähligen Vor- und Nachfahren, die die Archive der Museen füllen.

Heute ist ein echter Kamerad, der uns hilft, weiter mit uns zu arbeiten, von größerer Dauer als ein „Schmuckstück“, was man gerne wechselt. Es steigert auch unseren Wert, mit wem wir umgehen.

Was eines Menschen bedarf? Was diese Gesellschaft uns aufdrängt? Wo sie uns belügt? Und sie belügt uns ununterbrochen.

Dass mein Herz nicht lebenslänglich geschädigt war und ich noch Lust am Leben behielt!

Herr über die vitalen Instinkte zu sein, sie zu sublimieren: erste geistige Leistung, welche ein Format an Persönlichkeit erahnen lässt. Auch die Liebeskräfte der Seele sind bemessen, man kann sie nicht hie und da in den Wind streuen.

Bewahrt euch irgendeine Kreativität! Denn in ihr verfolgt man die Spur zum Glück.

Wenn ich spürte, dass man mir wirklich zugeneigt war, dann strahlte ich diese Zuneigung lange zurück. Ich vermied die Anstrengung, um Liebe zu werben. Sie muss wachsen. Woraus aber? Wie oft und lange sind wir blind für die Güte, die dicht neben uns wächst.

Es gibt nichts auf Erden, um dessentwillen es sich lohnen würde, ein ewiges Leben anzustreben. Aber es gibt Wege, die unsere Kräfte entfalten und jeder kommt irgendwo an. Einen anderen Sinn hat das Leben nicht.

Unsere Eitelkeiten bleiben unsere Plage.

Jeder engagiert sich nur prozentual zum Eigengewinn.

Je weniger Gäste, und diese geistig abgestimmt, desto gelungener der Abend. Wie erwirbt man Menschenkenntnisse? Wie vermeidet man Enttäuschungen? Wie erfährt man, was man falsch macht? Die Bücher ersetzen zwar nicht das Leben, helfen aber dabei, klarer zu denken, den schillernden Dingen zu misstrauen und auf den Grund zu tauchen.

Besser zehn Mal verlassen, als einmal falsch verbunden. Jeder bekommt die Frau, die er verdient.

Da wo Liebe entstehen soll, darf keine Lüge sein. Also üben wir uns im Erleiden, man hat ja so allerhand schon hinter sich und es bewältigt. So ringen wir uns frei von zuhause und Eltern und Freunden und haben uns ein Ziel gesteckt. Je bürgerlicher die Familie, desto schwieriger eine Loslösung von ihr.

So übten wir uns, durch geistigen Widerstand Wesentliches heraus zu destillieren, von Ballast befreit, all diese Eitelkeiten.

Der Geist hat ein größeres Fassungsvermögen als der Bauch. Aber „Alles fressen“ geht auch hier nicht. Ballaststoffe werden nicht verdaut.

Holt die Bücher hervor, die Toten macht lebendig, es sind unsre großen Helfer in Notzeiten.

Achtzig Prozent Leiden und Verzicht, um zwanzig Prozent Sternen gleich zu leuchten: die Biographien der Großen.

Was wir sind, rettet uns. Sieger bleibt der geistig geübte. Blieb ihm auch kein Reichtum, so kämpfte er doch, um in der Waage zu bleiben. Wir müssen von ihm lernen. Dann gewinnen wir alles.

Wir haben uns abzufinden mit dem Ergebnis unserer Ausstrahlung. Ich halte Misserfolge für ein ausgezeichnetes Übungsfeld.

Eine Riesenwand mit Giftschlangen hinderte uns 1936 und hindert uns gegenwärtig, 1985 irgend eine Wahrheit noch anzupeilen.

Mir wird alles zum Schattentheater. Das nackte Leben aber zeigte mir die Unerbittlichkeit, mit der die Menschen kämpfen um des Kampfes willen, weil das Kämpfen die einzige jedem eingeborene Kreativität ist.

Schaffte mir Erich Fromms Bücher an, lernte aber gar nichts daraus. War aber schön getröstet darüber. Man tröstet sich so schnell.

Kein Leben kann einfach imitiert werden. Jeder hat das Seine zu bewältigen mit seinen gefundenen Formen.

Traf ein Mathematikgenie. Leider ist mir diese Welt so fremd wie der Himmel. Aber er hat seine Weisheit in alle Welt schwarz auf weiß geschickt. Ich kapitulierte hoffnungslos, auch nur eine Formel zu verstehen, geschweige denn die Zukunftsvision (Dr. Wette) zu akzeptieren.

Dass jede Generation wieder von vorne anfängt zu hoffen!

Wir müssen mit dem Pfündlein wuchern, das wir haben.

Diese Weltveränderer sind ja doch Manifestationen ein und desselben Geistes, der da weht.

Folge auch du deinen Stimmen! Es ist schon eine Auszeichnung, überhaupt welche zu haben.

Wer von ferne sieht, sieht klarer. An der Grenze von Sein und Nichtsein muss existiert werden.

Ich weiß nicht, wo ich den Optimismus ausgraben soll, um ihn euch ins Haupt zu flechten. Ich hebe keinen mehr, als den, sich mit dem Ableben jener alten Welt so früh als möglich auszusöhnen. Die neue Ordnung wird wohl erneut in mörderische Kriege geraten. Es gibt keine andere Hilfe als den Geist.

 Wir überspringen die Zeit. Aber wir begeben uns nicht in blinde Abenteuer. Wir achten auf Hände und Augen und was vor uns liegt. Wir nehmen den Verwesungsgeruch war, der allen anhaftet.

Keinesfalls liegt das Glück in der Konsumanhäufung. Wenn dir alles zerstört wird, musst du dennoch deinen „Traum alleine zu tragen“ verstehen (Benn). Kalt machen das Herz bis zur Abstraktion. Es warten abertausend Arten von Gefängnissen auf uns. Wir geraten auch hinein, aber in der zerebralen Zone kann die Freiheit des Gefangenen wiedergewonnen werden, meine ich.

Die Warntafeln mit der Leuchtschrift stehen für das reine Nichts.

Kunst ist raumverdrängend, nimmt Lebensraum weg.

Die 87 Jahre gingen dahin wie ein Unwetter. Wie fremd wir alle uns blieben. Kaum noch gemeinsame Erinnerungen blieben wach. Jeder eine Welt für sich. Kein Du ist wirklich fassbar. Wir hängen haltlos im Raum. Jeder Frohe ist mir im Grunde verdächtig, da er sich durchs Leben schläft. Wer aber wach bleiben muss, sieht schreckliche Visionen.

Es bleibt eine Utopie zu glauben, der Generationsunterschied spiele keine Rolle im Vertrauensverhältnis. Und in der Tat ist es eine Zumutung der Alten, etwas zu erwarten. Ja, was eigentlich?

Acht Tage in Prag: miterlebt wie bescheiden da Kollegen leben, die viel mehr können als ich.

So ist die Lage. Ich beiße schon ins Gras. Ist eine neue Generation auf die Erde ausgestoßen, kann die alte abdanken, vielleicht noch eine Hüterrolle spielen, Einsamkeiten überspielen. Alle Begegnungen sind nur noch Tangierungen, keine trifft mehr ins Herz. Die Inflation der Schreiberlinge zeugt davon, das alle Monologe führen.

„In der Bewährung“ von Jean Gebser. Zehn Hinweise auf das neue Bewusstsein. Gebser,  widmete 1962 freundschaftlich dies Bändchen dem deutschen Staatsmann Carlo Schmid. In meiner Bibliothek sind Widmungen von Bergengruen, Böll, Kempowski, Walser, Warnach enthalten.

Ich will meine Sünden bekennen, will nach keiner Entschuldigung suchen.

Ich verwahre alle Sympathie auf das nächste Wiedersehen.

„Das Leben ist wie eine Nachtwache oder wie ein Tag, der gestern vergangen ist.“

Arbeit, Arbeit: es geht um den Endspurt. Vergeude meine Kräfte an hoffnungsvolle Fälle. Schließe stets mich den Menschen an, die mehr wissen als ich, da fällt stets was Fruchtbares ab.

Unser Haus ist nach wie vor ein Taubenschlag.

In Madrid erscheint die Dokumentation meiner Arbeiten. Hic salta! In Lausanne und Koblenz habe ich z. Zt. Ausgestellt, nächste Ausstellung in Wiesbaden, dann ist vielleicht Barcelona dran. Damit reicht es für meine Kräfte, bin bescheiden geworden. Nicht einschlafen – das Leben ist so kurz.

Mit Hans bin ich immer im besten Einverständnis, er war mir stets ein lieber Gefährte, der mir viel Freiheit beließ, aufzubrechen wohin ich wollte. Er  hilft nie viel, aber sein Geist ist mir ganz positiv gesonnen und das ist das Entscheidende in der Ehe.

Immer im Kreise bleiben, man fällt zu schnell in Randbezirke. Hilfen sind Freunde.

Es bleibt nichts anderes als zu überstehen oder davon sich zu trollen, ins Nichts.

Mein Traum: ein Auto steht vor der Tür, der Fahrer sagt: „Einsteigen, ich habe für alles gesorgt, wir freuen uns, kommt mit uns.“

Wer ist der Nächste, der dir vor die Füße fallt?

Dass einer dem anderen kaum helfen kann, da wo er Hilfe wirklich nötig hat. Wie viele Menschen ins Dunkle und Unsichere sich hineinwagen, so wie ein ganzes Volk es immer wieder tut!

Das sind diese Selbstentlastungen: Ankläger des Staates, der Generation, der Freunde, der Familie, der Gesellschaft.

Mein Vorhaben ist so edel, dass es scheitern muss, trotz intensivster Hingabe. Wie viele Träume sind zerstoben! Und alles, alles wäre der Entfaltung wert. Alles bleibt fragmentarisch. Wir alle stürzen irgendwann von unsrem Traumross. Wie schwer fällt es demütig zu sein! Warum bedeuten Himmelsstürmer der Welt immer mehr als Maulwürfe, die die Erde fruchtbar halten trotz langen Winterschlafes, aber haben noch immer Nahrung gefunden und ein langes gemütliches Leben im Dunkeln.

Deine Wunden musst du selber lecken. Nicht mehr wollen als du kannst – bescheide dich! Beuge dich nicht! Diene einer Sache und baue nicht Hochhäuser, wobei die Luft dir ausgeht. Das sind nun die Ratschläge – die keiner hörte – in den Wind.

Der Himmel segnet auch die nicht, die barmherzig sind. So stirbt die Barmherzigkeit aus.

Ich gebe euch Recht, die Geldmittel sind irrsinnig falsch verteilt. Wir benötigen dafür große Reformatoren.

Das Leben ist hart. Wessen Leben denn nicht?

Eine gesunde Partnerin ist nicht nur Geliebte oder Untertanin. Die geistige Ebene ist Voraussetzung – und dann: das Monatsgehalt!

Ich baute eine Stufenpyramide auf, oben saß das Menschenkind und dachte zu sich:“ Ganz oben! Was nun?“ Geht doch weiter nur durch Absturz.

Meditation, sprich: Faulheit, tut not. Denn aus ihr entstehen diese Heilungen, die wir alle ersehnen.

Das Leben ist eine Last. Lasst uns Roboter bauen! Dies ist ein Kafka Thema.

Gottlob zeichne ich einiges auf, sonst wüsste ich mich gar nicht mehr der Freuden zu erinnern in den Zeiten der Trübnis.

Heiner Feldhoff und Fritz Werf schicken Gedichte, ich finde sie gut, eigentlich Prosadichtung. Zuspruch und Auswege aus der Verlassenheit. Doc suche ich bei alledem die Mönchszelle. Und dann?

Mein Vater war ein stiller, bescheidener, auch enttäuschter Mann. Er hatte seine wirklichen Talente nicht entfalten können, weil Armut seine Kindheit prägte. Wie gerne erzähle ich von ihm. Ihm verdanke ich alles.

Der Kopf von Oelze gefiel mir, vielleicht besuche ich ihn mal. Es geht gar nicht um Schockierungen, sondern um Teilhabe an der schöpferischen Leistung unserer Zeit.

Kein Baum sieht den anderen. Jeder ist allein.

Ich habe seit 1964 Henzes Essays. Er ist der Ingeborg Bachmann sehr verwandt. Hätte man des öfteren leibhaftige Begegnungen mit diesen Menschen, nicht auf Kongressen, sondern in vielleicht sogar frierenden Zimmern.

Heute ist äußerste Verteidigung des künstlerisch Kreativen notwendig. Heute ist Kunst immer auf der Flucht vor den Gemeinplätzen ästhetischer Tagesparolen – Art Geheimkult. Kunst ist obrigkeitswidrig. Eine Sprache, die vor Banalisierung zu schützen wäre. Das Noble vereinsamt. Kunst, der Rohheit ausgesetzt. Der Ungeist ist nicht gestorben. Unsere Ohnmachtsgefühle lenken wir in den Strom der Kunst ein. Was ließ mich zögern, am sogenannten großen Zug der Zeit teilzuhaben? (zu Henze)

Musik – ihre Dringlichkeit Klang zu erden. Sie löst das Dogma. Diese große Quantität an technischen Wissen bedarf der Berechnung als ein Mittel, sich selbst als Urheber einer Spiegelung wiederzufinden. Kunst stellt eine Konfrontation dar. Jedes neue Werkstück ist das erste neue Werkstück, das man überhaupt schuf. Kunst ist ein Prozess der Auswahl und der Entscheidung. Was soll deutlich werden, was ungenau? Ich bin an einem Werk. Die Freude an der Verwandlung traditioneller Formen setzt sich von Fall zu Fall in anderer Weise ins Licht. Ein Wechsel der Masken. Dies brennende Verlangen nach der vollkommenen Gestalt! Schönheit und Klarheit sollen sich entfalten (zu Henze).

Die alternde Moderne. Den Rekorden ist eine Grenze gesetzt.

Habe jetzt Videorecorder angeschafft, um Filme aufzunehmen – aber sehr kompliziert alle Technik.

Ich will mich bessern in meinem Glauben an die inneren Kräfte, die doch wieder alle Überforderungen meistern.

Die abenteuerlich Jagd nach dem Glück um jeden Preis: eine einzige Narretei. Für sie lohnt es sich zu leben.

Wortgesänge in denen lautbar wird, dass Kopfsprache und Seelensprache sich unabhängig von einander machen können.

Ich war sehr ergriffen von Henze und verfolgte sein Werk. Immer Berlin verhalf im zur Uraufführung seiner Werke. Zehn Symphonien. Ein genialer Kopf. Kongeniale Nähe mit der Bachmann.

Später Wunsch nach verdienter Größe. Ich bin von der Form bestimmt. Sie strebt das absolute an. Ich sehe mich im Atelier stehen und für keine Ewigkeit arbeiten. Das Unfassbare in klärende Form verwandeln.

Die Liebe eines Freundes. Sein Brief war Sendbote eines Geistes, der mich aus meinen Träumen noch einmal ans Licht heraufholen wollte.

Zur 65-Jahrfeier des Malers Ernst Fuchs im Wasserschloss Nörvenich bei Köln, ( wo 20 Breker – Plastiken ihr Domizil im Garten fanden): Fantastischer Realismus, technisch perfekt, fast eine Fabrikation von Radierungen. Abgestoßen von diesen Fantastereien, erfreute ich mich aber an dieser milden uneitlen Erscheinung von Fuchs. 400 waren geladen. Die Damen zeigten Schmuck und Hintern, wenn sie nicht über 30 waren. Außer Ahrens, der eine Portraitplastik von Fuchs gefertigt hatte, kannte ich keinen. Aber der Geehrte fand Zeit, sich über meinen kleinen Katalog mit den Texten zu freuen. Der Direktor des Museums hatte mich eingeladen, weil ich Breker gekannt habe. Ich weiß nun die Sprosse, auf der ich ausruhe auf der Stufenleiter des 20. Jahrhunderts – warum einem Irrtum verfallen?

Alle geliebten Dinge verlieren ihren Sinn und werden in Geld verwandelt. Aber welcher Wert steckt in Allem! Mein Herz hängt an Erinnerungen.

Habe mich vertieft in das Gedankenlabyrinth verstorbener Philosophen, habe trotz Arbeit auch genüsslich Honig geleckt für meinen Gedankenkreislauf. Wer saugte nicht gerne an dieser Honigwabe? Falle nach der Gedankeneuphorie wieder ins Loch der Realitäten!

Ich sitze nun mit meinem Werklein im Labyrinth meines Unordnungssystems.

Wem gebe ich Auftrag der Erfassung, Erhaltung, Betreuung der archivierbaren Hinterlassenschaft an Kunstobjekten und Dokumenten aller Art, die Kunst betreffend?

Ich lebe keine Philosophie, aber ich habe Lebensschwierigkeiten.

Nichtsnutziger, böse Leserbriefe schreibender Neffe: wie freue ich mich stets über seine für mich so brauchbaren Hirntätigkeiten.

Ich bleibe dem Leben verhaftet, so wie es kommt. Es geht ja nicht anders.

Gadamer spricht:“ Ich sitze und denke, und manchmal sitze ich auch nur.“

Fernsehen macht blöde.

Sinn des Lebens: etwas zu wagen. Und siehe das, es ist ja auch irgendwie gelungen.

Liebe: durch sie geht der Mensch aus sich heraus und nimmt teil an der Welt. Das hänge ich groß an die Eingangstür.

Die Naturwissenschaft entzauberte und beraubte mich des Gedankens der Auferstehung, des Wiedersehens, Fühlens, Denkens. Aber unsere Gehirne brüten seit Jahrtausenden diese Märchen aus. Warum weiß ich nicht, wer ich war. Herr, hilf meinem Unglauben!

Durch Denken halte ich durch.

Ich erkenne immer mehr, wie wichtig es ist, an einem geistigen Fundament zu bauen, das uns durch Wurf an die Klippen nicht zerschellen lässt.

Reisen: es bedarf hie und da (trotz Kant) einer Gebietserweiterung der Horizonte, weil unsere Haut ein ernährungsbedürftiges Organ bleibt. Träume davon sind kein Ersatz.

Die Probleme, dieser anwachsende Haufen aus Müll und Schmerz, werden nicht durch die Philosophen aus der Welt geschafft werden.

Das ist der Soldatenstolz: die durchaus männliche Fähigkeit, den angeblichen, im Grunde aber doch unschuldigen „Feind“ einfach zu töten. Millionen starben so dahin, Gespräche und Verständigung vermeidend. Davongegangen ohne Versöhnung.

Meine Stille, dies Abstillen von Welt, erfordert eine ungeheure Durchhaltekraft, weil keine Rettung von dieser Insel im Ozean mehr in Aussicht steht.

Dem Untergang ein Schnippchen schlagen?

Bleibt Euch treu! Träumt weiter vom Glück! Unter den Himmeln sind wir kleines, dennoch lebensfähiges Ungeziefer.

Erinnerungen sind die Zinsen des Glücks.

Wenn wir nicht existierten: wäre die Welt nicht ärmer?

Greifbare Engel gibt es nicht.

1962 war es eine Ehre für mich, in die Genfer Akademie für Keramik gewählt zu sein. Aber was soll eine internationale Akademie mit bald 2000 Mitgliedern? Ein jährliches Festival?

Einfach stillstehen und alles sich einfach über einen ergießen lassen. Irgendwo anlanden und vermodern.

So ist das Leben: wir tragen also die Masken weiter, um den Anderen nicht zum Ärgernis zu werden.

Auch die Dinge haben das ihrige Schicksal.

Die ganz große Freude wäre, eine mir verwandte Seele gefunden zu haben, die die Mühe nicht scheut, einiger meiner Perlen in einer Kette zu fassen.

Lassen meine Gedankenbruchstücke sich aneinander ketten zu einer Botschaft an euch, die ihr an der Todesgrenze wohnt?

Meine Aufzeichnungen: Perlen, Halbedelsteine und Strass gibt es darunter.

Ich sitze im Loch und arbeite an der Erweiterung des Lichteinfalls.

Ist ja doch alles gesagt, nur noch Notschreie demonstrieren, in welchen Irrtümern wir Schattengestalten leben.

Die 200 Briefe an Hugo Kükelhaus: aufdecken? Wie auch seine gesammelten Briefe? Das gäbe wohl ein Büchlein, das wie Eugen Gottlob Winklers von der „metaphysischen Unbehaustheit des modernen Menschen“ spricht, aber auch Gespräche meiner Freunde aufzeichnet. Als Winkler mit 24 sich davonstahl, war ich 21 und alles hat zu mir geredet voll geheimer Fingerzeige.

Das Fragmentarische und Lückenhafte meiner Aufzeichnungen: unzulänglich? Unglaubhaft? Verzerrtes Bild? Ein Irrgarten? Aber offenbaren sie nicht mir und anderen in dieser Selektion und dem Zufall preisgegeben, alle meine wesentlichen Gedanken, ebenso wie alle meine Fehler, mit Recht?

In dieser Affenhitze: hundemüde!

Ich kann nichts anderes mehr als modellieren. Flucht aus der Welt ins Atelier. Man kann da allen Verhängnissen aus dem Weg gehen. Habe drei neue Raumgitter entworfen. Ob ich sie vollende?

Dass die Engel auf Erden mir gut gesonnen bleiben, trotz all meiner Fragezeichen!

Was die Drucklegung meines Geschreibsels rechtfertigt: erlebtes Leben, ob man es weinend oder lachend umbringt, ein Leben bleibt ein Leben. „Leuchtende Feste über der Trauer“, sagt Oda Schaefer. Welcher Ordnung folgen derartige Beiträge? Es sind gestaltete Erstdokumente. Schon gestaltet und noch der dokumentarischen Absicht folgend. Die begreiflichen Irrtümer trüben keinesfalls den Quell der Wahrheit, aus dem das stammt. Das gehört zusammen.

Das Gesamtmaterial ist ohne ein einziges Echo. So erliege ich keiner Utopie. Nur Glauben versetzt Berge, also glauben wir. Die Verwirklichung des zu verlangenden Wunsches nach Dokumentation meines Künstlerlebens muss, glaube ich, ernsthaft neu überdacht werden.

Nach Abschieden stürze ich mich aus einer gewissen Hilflosigkeit in meine Tonarbeiten.

Bücher sind für mich ja Freunde gewesen. Ihre Weggabe: eine Amputation? Hamann, Worringer, Gombrich begleiteten mich seit dem 20. Lebensjahr. Erbenhände verscherbeln sie eines frühen Morgens – weiß nicht, wann? Alles eskaliert noch immer schneller – auch die Entwertung. Hunger nach Literatur: nach großen Katastrophen?

Die geistigen Durchhaltekräfte speisen letzten Endes ja unser Leben und umgekehrt.

Aus unserem angeblichen Leid erblühen ja die herrlichsten Gestalten. Wir gewinnen Zeit.

Unauffällig bleiben! Dann finden sich die Mittel, das Notwendige haben zu können. Das Arbeitsfeld wird schon Ernte bringen.

Abschied einstweilen von meiner Atelierarbeit. Bin schreibe-, rede- und sogar lesemüde geworden.

Fernsehverseucht! Dabei erlahmte immer mehr alle kreative Idee.

Die „Umwertung aller Werte“ ist in vollem Gange – anders als von Nietzsche gedacht. Dennoch: Träume bleiben vielleicht das kostbarste und gefährdeste Gut.

Des Nachts van Goghs „Briefe an Theo“. Es ist heute och gültig, was er da äußert über die Quellen künstlerischer Passion. Nur die Gesellschaft hat sich total geändert in jenen 100 Jahren. Ein Künstlermensch lebt nicht mehr so unbeachtet, er ist registriert, erfasst und versteuert. Gleich welcher Rangstufe. Die Tragödien aber spielen weiterhin in inneren Bereichen sich ab.

Man ist erfasst und darf nun sterben.

Van Goghs bewältigte Wort- und Zeichensprache zeugen von dem Ringen um seine Unsterblichkeit. Er ist gebrandmarkt mit unauslöschlichem Siegel. Dies Geborenwerden in ein unauslöschbares Schicksal! „Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen“, sagt Beethoven. Wir Randständige, aus dem Paradies vertrieben, versagen uns die großen Opferungen. Wir waren nicht ausersehen, dies Kreuz zu tragen. Unser Kreuz war ertragbar.

Vielleicht hätte ich im alten Kulturraum „Kykladen“ gute Chancen gehabt, eine Grabbeigabenwerkstatt aufzumachen.

Die mein Werk in ihre Herzzone einließen, sind alle zu früh gestorben.

Nur ein Staubkörnchen zu sein, das kein Lichtstrahl sichtbar macht, so wie das Lampenlicht in meiner Arbeitsstube!

Freundesbriefe nähren meinen schütteren Glauben, ich nahm Witterung auf.

Ohne Sekretärin kein Direktor!

Die Not birgt Gold in sich, das zum Glänzen gebracht werden muss.

Meine Gebilde sind Tondichtungen. Zwecklos, themenlos, allein der Formfantasie entsprungen. Ich fand die Gestalt.

Wenn hinter den Gedanken auch noch die Verleiblichung glaubhaft wird, so sind sie nachhaltiger wirksam.

Ja, wenn der Geist wehte, ach dann machte ich euch allen noch was vor im Durchhalten!

Meine Rettung ist das Vergessen und das Bei-sich-Sein.

Das Paradies ist in uns, nur finden wir so schwer den Weg des Lassens. Übe ein das Faire – laisser – passer.

Bewunderung für die Glaubenskraft an vorbestimmte Sinnhaftigkeit des Lebens.

Die Fantasie vom Leben, mein großes Ziel: verriet ich es, um ab 20 Jahren ohne Hilfestellung existieren zu können?

Die Tragödientheorie des Aristoteles: ist diese Anwendbar auf unsere Schicksalserwartung.

Lese „Das gute Leben“ von Fred Wander. Hat als Jude überlebt. Fast nicht fassbar, dass ein Mensch durch diese Höllen ging.

Stets sind es Geldmittel, die uns verhelfen,  Ideen wahrzumachen. Realisiert man aber das Gefälle der Reichtümer in einem Volke, dann war es von jeher auch schicksalhaft und nicht nach geistigen Verdiensten oder Eignungen verteilt.

Dies „Selber – sich – Erleben zu höheren Sphären“ gab mir den Atem zur Weiterarbeit.

Man muss ja nicht in Bergstufen herumklettern, in Ebenen erlebt man auch Weite.

Der Todesengel schleicht um mich herum.

Philosophische Gedanken bleiben bloße Gedanken. Was ist da zu verwirklichen? Ja, in Poesie verwandeln! „Winterreise“ ein einfacher Müllername machte sich unsterblich. Nun gut, Schubert hatte geholfen.

Meine Versuche in meinem Werk gangbare Wege aufzuspüren, mussten ohne Fachhilfe scheitern: Hirngespinste?

Freiheit muss teuer bezahlt werden – und dann ist sie keine mehr!

Klaren Wein einzuschenken, fällt schwer: immer die Mischgetränke.

Unsensibilität erfasst wie eine Seuche auch die, die noch zu retten wären.

Am liebsten habe ich nun Wesen, mit denen Schweigegeist die Redezeit besiegt.

Tausende sitzen in Tätigkeitsbereichen, die ihrer unwürdig sind.

Wenn mein Herz sich meldet und diese großen Ermüdungen mich überfallen, dann lasse ich alles liegen und mich selbst auch. Und schon rennt die Zeit.

Briefe sind Notlösungen anstelle von Stubengesprächen.

Gerade das Unvollkommene offenbart den Weg.

Wie gewinnt man Kraft, das Auferlegte zu meistern?

In den Rat-Angeboten geht es mir ums Durchhalten in dem Vorhandenen und dem Vergehenden.

Wo ist man zugehörig? Was fehlt?

Hans: sein schönes Antlitz läst gottlob seine Misere nicht offenbar werden.

Hans fehlt mir, er bleibt unersetzbar. Das Nachhausekommen ist kein Nachhause-Kommen mehr. Diese Echolosigkeit in meinen Zimmern. Ich werde noch trauriger von den Zeitopfergaben der Besucher. Das Jubeln muss mit Abschied bezahlt werden.

Meidet das Glück! Sein Begriff wandelt sich stetig. Es gibt kein Glücksregister, aber in die Trauer kann sich Glück einnisten.

Hans: dies Licht ist nicht erloschen für mich.

Wir sehen unseren Verwandlungen zu. Auf einmal ein Schmetterling aus einer Puppe!

Treffen wir uns also weiterhin in höheren Regionen, wo Staub auf Boden und Möbeln nicht stört.

Aus Neu wird alt – alles verwittert da draußen, so wie auch ich Patina ansetze.

Die zwölf Tagebücher meines Vaters! Als ich sie las, war es mir wie eine Auferstehung meines Wesens in manchen Äußerungen seiner Lebensbewältigung. Das Alles erschütterte mich tief. Dass er seine Erlebnisse diesen Papierseiten von 1910 bis zum Tode 1957 anvertraute! 1914 zog er in den Krieg nach Flandern. Nun liegt eine große Karte von Flandern auf meinem Tisch und so verfolge ich die Orte, wo er dem Tode stets nahe war.

Auch ich vertraue dem Papier lieber meine Gedanken an, als einem Gegenüber, der in einer anderen neuen Welt lebt und andere Tätigkeiten durchsteht. Vergangenes Leben. Der Trick wäre: vergessen müssen. Damit neue Fehler gemacht werden können. Das Tagebuch also als bester Freund? Ich finde noch immer in meinem Archiv Aufgeschriebenes, das ich nie in ein Gespräch einbringen konnte.

Ich bin dankbar, so alt geworden zu sein, dass mein Vater mir noch einmal begegnete in diesen Tagebüchern. Es verging über ein Jahr bis er mich sah 1916. Ich erlebte ihn erst mit 3 Jahren.

In Kükelhaus‘ Briefen erlebte ich, wie die Wesenheit der GSR erkannt wurde und zu gültigen Wortformulierungen führte, was ja auch wenigen zu Gebote steht.

Was nicht geliebt wird, stirbt dahin.

Sucht euch Aufgaben, die euch alles abverlangen, auch den Verzicht auf Erfüllung eurer Sehnsüchte. Die bitteren Früchte zählen zu den heilenden.

„Dort wo ich nicht bin, da ist das Glück“.

„Ich friere nach der Sonne“ (Dürer). Dieses unverdiente Glück einer Liebeszusendung!

Gott wird uns begegnen durch geschöpfliche Vermittlung. Er wirkt in unendlicher Gestalt.

„Nah ist und schwer zu fassen der Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ (Hölderlin).

Ich nutze das Gefühle der Ohnmacht als Fundquelle leider nicht, wie es notwendig wäre.

Mitleid, als Echo auf ein Dasein, ist ja auch keine erstrebenswerte Haltung zueinander.

Ich benötige meine restlichen Kräfte für ganz existentielle Einsätze.

Die Vorangegangen hinterließen oft Endgültiges.

Ich wucherte mit meinem Pfund nicht über Erstversuche hinaus. So hatte ich niemandes wegen ein Büßergewand anzulegen. Ich blieb frei in meiner Denkungsart wie jeder, der sich befreite von Wünscherfüllungen und von solchen Gedanken, die beim Rechnen wachsen. Das hatte Folgen. Es ist absolut nicht leicht, so leben zu müssen wie ich. Das hat man anzunehmen – sein Leben.

Hütet Euer Pfund! Ringsum ertönen Klagelieder immer neu, bis Müdigkeiten an der Welt auch sie verstummen lassen.

Es gibt doch genug Stoff – aber einen Anzug daraus schneidern: das ist die Kunst!

Aber Weiterweinen, bis das Krüglein voller Tränen überläuft? Ich Kamel! Wieso nicht mal Gammlerdasein versuchen: schlafend, lesend, verschmutzend, faulenzend? Alles laufen lassen? Und die Folgen ertragen.

In einer meiner Fernsehnächte begleite ich die Männer auf den Mond.

Keiner mehr da, der mir das Gefühl gibt, dass mein Ich sein Du ist.

Ergebnislose Daten versperren jedoch die Wege in die ersehnte Freiheit. Man sitzt die Zeit ab bei Hauskonzerten in einer nie gesuchten Gästeschar.

Dies Hinübergleiten aus der Begeisterung in diese Lethargie. Kein Missklang!

An den Neffen: Deine kurzen Sätze auf dem Kartengruß reichen völlig aus, mir in Erinnerung zu bringen, wer Du bist.

Zeichen in Staub setzen: Herzmuschelstaub.

1947 wollte ich ein Glasfenster von Alois Stettner kaufen. Es schmerzte physisch, kein Geld zu haben. Stettner war ein wirklich religiöser Mensch. Seine Stille tönte in himmlischen Farben.

Kurzformulierungen: eine Wohltat. Man wird, damit denkend, wieder ermutigt, auf Spurensuche zu gehen, ohne in den Sackgassen zu ersticken.

Doch ist eigentlich längst alles gesagt.

In seiner Traumwelt kann ein Mensch vielleicht einmal der Sieger bleiben bei all dem Auf und Ab der Lebensschaukel.

In dieser Mörderwelt erstirbt alles Geliebte in den Händen mir nicht verwandter Wesen.

Der liebe Gott ist doch ein grausamer Gott, setzt Menschen in die Welt und hört nicht mehr hin, wenn sie in ihrem Labyrinth nach ihm rufen.

Verlasse alle Gruppen: will mich keinem verordneten Thema mehr beugen.

Schreibbegabung wäre eine große Hilfe, um weiter zu existieren.

Meine ganze Umgebung ist durchsichtig geworden. Zerstörte Träume. Zettel in Klagemauern. Dankbar für Vergessen.

Meine Träume reichen stets in die Vergangenheit. Sie handeln immer von Verlust.

All diesen gutgemeinten Freundlichkeiten fehlt die notwendige Bindung. Wie ein Spuk.

Bei Drewermanns Vortrag: fast ein neuer Luther. Er leidet sehr an seiner Ächtung. Seine Klagelieder sind aber akzeptabel.

Doch der Papst wird nicht stürzen und diese Menschenwolken werden auch künftig nach Rom pilgern. Drewermann will das „liebe Jesulein“ wieder ins rechte Licht rücken. Die Brüdergemeine zeichnet sich aus als Sozialgemeinde, ihre mittelalterlichen Bindungen kann man vergessen.

Rettet die heilenden Einflüsse in diesem Gewoge der Zerstörungen.

Prof. Warnach beigesetzt auf Friedhof Melaten in Köln. Ein Geigentrio spielte. Trauerzug in glühender Hitze. Wir ertrugen vier Ansprachen von Freunden. Spieglein an der Wand. Du machst dich mir bekannt! Leid ist schöpfungsfähiger als all diese Narkotika gegen das Leiden.

Der Kölner Dom stimmte mich gar nicht religiös in seiner Perfektion symmetrischer Ornamentik. Beim Taubenbrunnen von Mataré saß ich und zeichnete. Dies Gewimmel faszinierte mich und ich beschloss, des öfteren nach Köln zu fahren, um diese Gestaltwucherungen zu genießen.

Nun lese ich erneut die Warnach Briefblätter, etwa 150 schwer lesbare an der Zahl. Alle seine Echogeber sind auch mausetot: Carl Schmitt, Grieshaber, Beuys, Böll.

Dagegen diese Generation von Internetgespeisten! Ihre Befreiungsversuche sind doch zum Scheitern verurteilt. Ach, wir Tatsachenträumer!

Mich erreichen lauter Abschiedsgrüße in dieser Hungersnot nach Wegbegleitern. Valet!

Beuys hat recht:“ Alle Menschen sind kreativ.“ Aber größer ist doch das Verdienst der Sklaven des täglichen Arbeitsprogramms. Auch ich habe geschuftet und verzichtet, doch fand ich unzählige Glücksspuren in diesen Grenzen. Die Arbeit erzeugte Lustgefühle, es war kein Fron.

All diesen gutgemeinten Freundlichkeiten fehlt die notwendige Bindung. Wie ein Spuk.

Die Wunden bluten am längsten, welche von dem Gefühl Zeugnis ablegen, dass wir unser Wesen verraten haben, um Beute zu machen. Wir werden es nicht mehr los.

Ist das besser als gar nichts? Oder ist gar nichts besser als dies? (Geplapper im Liegen)

Hüsch, Du armer Gelegenheitsstotterer, nun reißt Du die Maske ab und sagst, was Du nicht weißt.

Hätte ich mehr geschrieben bei meinen Spaziergängen in alten Europa! Es ging aber mehr ums Abenteuer des Zeichnens dabei. Was sind schon 4 bis 6 Tausend Jahre Kultur gegenüber dem Menschenschädeldeckel, den man fand: 2 Millionen Jahre alt. Oder kann man sich irren?

Wir sind Wanderer in belebten Wüsten.

Im Fernsehen werden Filme von Weltkatastrophen gezeigt! Die Sommer werden zu Wintern und meine Arbeiten eines Tages auf einem Meeresgrund gefunden von Menschen mit zwei Gehirnschalen irgendwo auf dem Rücken. Ich benötige ein neues Gehirn.

Ich bringe es nicht übers Herz, das Elterngrab zu löschen, aber der Stein würde im Garten hier oben nicht seine Erinnerungskräfte verlieren. Sogar schöner aufblühen!

Bildhaueraufträge gehen immer an die, die dem Architekten schon bekannt sind. Welch ein Glück, dass ich nicht fabrizieren muss.

Die Journale werden noch immer geiziger mit ihrer sogenannten Kulturseite. Die meisten wissen nicht, was sie sagen.

Ich arbeite wieder an fünf Flachplastiken, da Bettliegen Tod herbeilockt.

Muss Walter Warnachs Briefe lesbar machen, nicht leicht vollziehbare Aufgabe. Erst jetzt geht mir sein Kampf gegen sein Liebesverlangen auf. Carl Schmitt, Böll, Grieshaber und Trott zu Solz und Vilma Sturm und lauter bedeutende Leute umkreisten ihn. So wie Kükelhaus auch, war er an den Frauenwesen interessiert, die ihm zuhörten. Ich aber glaubte, dass er mein Werk meinte. So viele schreiben und doch fand ich, außer Prof. Ulrich Gertz, keinen wirklichen Interpreten meines gesamten Werkes.

Man kann sich auch tot lesen.

Tullio Crali, genialer Maler und Zeichner, war mir lieb. Wir gingen abends in den Louvre, während meines Pariser Stipendiums. Keiner sprach die Sprache des anderen, aber wir verstanden uns  in dem Zwang, alles aufzuzeichnen. „Toujours dessiner!“ sagte er.

Mit Benn lag ich gleichzeitig im Kurhotel Schlangenbad: schmerzdurchtränkt. Er starb bald darauf.

Möchte einmal über Eisberge schreiben, die falschen Kurs nehmen, oder über ein Haus ohne Zimmer. Seine Stockwerke sind erdacht.

Dürrenmatt schrieb mit Bleistift in seine Riesenkladden alles, was ihm einfiel. Er hatte die Kerr! „Ha! Ha!“

Ich arbeite an den Skizzenbüchern im Haus und Garten. Währenddessen häufen Briefschulden sich an.

Nicht auf Rennbahnen fahren, sondern auf Schlängelwegen: die Beobachtung zulassen.

Je älter einer wird, desto wertvoller werden seine gesammelten Schätze. Diese geistigen Quellen verhindern den Durst nach Giftquellen.

Das Beste für ein Kunstwerk: solange unbemerkt zu bleiben, bis ein Seelenverwandter komm, es wieder auferstehen lässt.

Auf Juist: Täglich schlich ich am Wellenrand dahin und bewunderte das angeschwemmte Muschelwerk. Sterbereste der Kreatur.

Das völlige Einsamkeitsgefühl reinigte mir Seele und Auge. Und da alles da war – Wasser, Sand, Fußspuren und weiter Himmel, die Sandspuren, welche die Wellen hinterließen – so vermisste ich nichts.  Nur den Fotoapparat. Diese variablen Spuren: Mein Herz hüpfte über solche Kunstwerke, die meine Phantasie nicht gewagt hätte zu erdenken.

Zwischen all  diesen Spuren trudelt der Mensch auf und ab.

Die Hitze ist mein Tod.

Lernen auf dem alten Teppich zu bleiben und den Fernseher ausgeschaltet zu lassen.  Die Ausdruckswelt der Kunst changiert wie noch nie.

Das Leben, wo es anfängt lästig zu werden, da die Entfesselung von ihm nicht mehr gelingt.

Sieger bleibt der, der denkend den Gefahren ausweicht.

Habe Benn gehört: herrlich erregend, gut gesprochen, dies Weit-fort-Sein, diese Verlassenheit und die tragende Stimme. Ihn möchte ich im Himmel wieder treffen.

Die Stimme der Domin ist schwerer ertragbar für mich, stört mein Hören. Aber man müsste mehr von ihr lesen. Ich glaube, dass ihre Bedeutung in ihrem gelebten Leben liegt.

Was für ein Publikum ist da erzogen zum Klatschen!

Es gibt verborgene Prediger, deren Sprache sich aber besser ertragen lässt.

Opfer verlieren an Bedeutung, wenn Zeit sich über Zeit stülpt.

Der Benn bedrängt uns nicht mit Vorwürfen. Er ist es, der sich auszieht und dann sich unsichtbar macht.

Die Cis Dur Tonart der Hilde Domin: ihr fehlt die Distanz.

Bachkonzert gegen Husten und Bettlägerigkeit.

Ich möchte für Kritik offen bleiben, doch fehlen die echten Freunde, die mich korrigierten.

Abschiedssymphonie: Die wenige Zeit der Besinnung geht aufs Abschiednehmen.

Ein Informator von Himmelsgeschehen wäre mir sehr lieb.

Ich muss Dank sagen für gedankenverwandte Briefgeschenke.

Morgen höre ich also Gadamer. Freue mich darauf. Mein Gott, wie gut, dass ich nicht berühmt bin, das hielte ich nicht durch ohne Sekretär und ohne Haushaltshilfe.

Bekenntnisse und Erkenntnisse können den Hunger nach Frieden nicht stillen.

Die Frühvollendeten taten klug daran, nicht 88 zu werden.

Eine Gnade, namenlos zu sein?

Kein Vertrauen zu Maklern, Notar, Auktionator und Antiquar. Was wäre aber das Beste für meinen ganzen Besitz, um den ich ernstlich mich bekümmere? Es wäre so wichtig, dass der Staat nicht soviel raubt! Mir fehlt eine Hilfskraft, die selber denken kann. Älter als 85 wurde vor mir keiner von meiner Sippe.

Die Winter werden für mich immer schlimmer. Wer holt mich jetzt noch aus der Höhle heraus?

Dieser Fernsehamüsierbetrieb, zum Kotzen! Bin gespannt auf die erste Klongeneration.

Ich lese die Satzgebilde von E. Jünger. Was würde er über die heutigen Todesengel mit ihren Zerstörungsversuchen sagen. Was über den Gigantismus von heute? Druckfehler 1949: kostbar!

Las in der „Erlesenen Welt“. Doch nach wehtuenden Störgeräuschen wusste ich: das Weiterleben gehört der Nacht. Nur in der Lautlosigkeit kann diese Sprache der Gedankenwelt mich streicheln. Nektar für eine Dürstende. Was da an Behutsamkeit sich offenbart! Ich benötige die Nacht für diese aus der Tiefe heraufgeretteten Bildfugen. Dies schreibe ich, bald 88-jährig, im Freudentaumel.

Meine Gedankenwelt, wen trifft sie ins Herz? Meine Belastungen wachsen ins Klagelose. Amen.

Das Leben und das Lesen: Eine langsame Fahrt von Ampel zu Ampel. Wer waren wir? Erinnert zu werden an das Vergangene, bei der jahrelangen Archivarbeit an den Briefwechseln!

Meine Gedankenwelt, wen trifft sie ins Herz? Meine Belastungen wachsen ins Klagelose. Amen.

Ach Paris, wie erinnerte der Jünger („Strahlungen“) mich an meine Zeit dort 1951! Der Finder alter Bücher von dieser Art sollte ein gut bezahlter Beruf sein: „Literaturfinder“.

Ich habe mit dem Sockel für mein letztes Selbstbildnis begonnen: roter Schamotteton, keine Glasur, keine Farbe, nur 60 cm hoch.

Kunst, dieser Welt die Stirn zu bieten in dieser mich rettenden Verborgenheit.

Die Literaten sind Wundenträger. Sie finden weiterhin schützende Höhlen gegen das Erfrieren in dieser Welt.

„Mein letztes Ich“ fehlt mir noch. Gebeugt zur Erde, in der schon bald mein Fleischrest modert.

Kunst interessiert keinen, es sei denn, man lädt zum Essen ein.

Ich überlebte das Böse. Die Mönche leben und die Rettung vor. Sie beten zu einem Gott, den sie sich selbst erschufen und der ihnen treu bleibt – wer sonst bliebe uns denn treu? In dies Treue sich hineinbetten!

Das Beste für ein Kunstwerk: solange unbemerkt zu bleiben, bis ein Seelenverwandter kommt es wieder auferstehen lässt.

Aber meine Seele? Nährt sich von den Sandstürmen der Wüsten, nach den Oasen sehnend. Aber in meiner Bibliothek leben noch Geister, die mich meinen, ich muss sie finden.

Jung zu sterben, ist eine Auszeichnung der Götter. In der Jugend ist man Eroberer, im Alter aber Verlierer, beraubt jeglicher Hoffnung auf ewiges Leben. Die Gelenke quietschen. dies Schaukeldasein fällt jetzt aus dem Rahmen, so wie wir aus allen Plänen herausfallen. Aber noch scheuchen wirkliche Ereignisse mich auf. Bin noch auf meiner Bahn.

Viele Gelehrte leben in ihren Rumpelkammern ohne Neugierde. Mir aber war immer wirklich alles Nahrung für mein trauerndes Inside.

Dass ich noch manches Abenteuer leben kann, wenn man mir Mut macht, ist so lebenswichtig, wie Geldscheine lebenswichtig sind, weil man sie verwandeln kann – zauberhafter als Worte verzaubern können.

Die Zeiten, in denen das Jesulein als Heiler gefragt war, sind vorbei. Heute sind es Banken, denen man Opfer bringt, damit sie Segen ausschütten.

Bargeld ist für alle der liebste Nachlass. Aber Liebe ist nach wie vor nicht käuflich. Für Wesen wie mich sind Zuneigungen ja noch spürbar.

Ist es nicht auch eine Auszeichnung von dem lieben Gott, dass er mir meine Einsamkeit als Schutzhülle belässt inmitten dieses Kirmesradaus der jetzigen Zeit?

Es geschieht Unheimliches um uns. Die Suche nach einem Weltenlenker wird täglich dokumentiert. Wunder, einmal sichtbar gemacht, sind doch keine Wunder mehr. Dies so weit In-die-Ferne-sehen erschüttert unseren Glauben.

In wessen Hände geraten die behüteten Dinge? Sie lebten nur weiter durch Geliebtwerden. „Als wär’s ein Stück von mir“. Den Zuckmayer habe ich geschätzt.

Hier spielte die „Mutter“ die 1. Geige. Ich kann gar nicht so lange sitzen, spielte selber noch selten Klavier: Schumann, Schubert, Chopin.

Warum bleibe ich nicht liegen, lese Platon oder in den 2000 Bänden, die in Regalen verstauben. Ich grübele viel und werde nicht mehr klug.

Freundin der Orientalistin A. Schimmel, Bonn, war hier, erzählte viel von ihr. Schriftsteller Feldhoff machte Besuch über fünf Stunden. Er schrieb mal über meine Arbeiten.

Aufhebenswerte Briefe: sie könnten berauschen, den Alltag zu vergessen. Ach, wie schnell entschwindet das Glück.

Was ein wirklich Liebender erzeugt? HEILUNG.

Mein Gebilde des in sich Versunkenen ist allein durch Bronzeguss noch zu retten. Der Rücken platzt ab, weil der Ton unrein. Solche Teufeleien stecken im Detail.

Welcher Engel hat mich unter seinen Fittichen mitfliegen lassen?

Im Internet: kunstfremde Registraturen wie Verkaufsware. Internet Dateien sind nicht meine Sache. Die Fantasie läuft Gefahr, mit einem durchzugehen. Fazit? Wenden wir uns wieder der Philosophie zu. Das sind Erlebnisse! Mit den großen Gedankenspinnern ein haltbares Netz im Dialog zu spinnen, fehlte mir der Mut. Diese Nährstoffe der Seele blieben und erneuerten sich immer wieder zu geistigen Nährstoffen. Diese geistige Welt, sie hilft uns, gegen alle Tagesmiseren Sieger zu bleiben. Alle Last werfen wir ab!

Das nachgelassene Futter für unsere Wahrheitssuchbemühungen: niedergeschriebene angeflogene Gedanken. Sie sind aber nur Eier, die jeder selbst noch ausbrüten muss. So fliegen sie also in die Welt: “Schwebend, flügellos“, wenn Ausbrüten gelingt.

Das Feld bestellen – Nachlass sondieren (Vermächtnis dokumentieren).

Mein letzter Freund, der Bildhauer Georg von Kováts, ist in Gauting 85-jährig verstorben. Seine Frau ( 90 Jahre alt) bat mich um Gedenkrede. Ich machte Auszüge per Hand aus dreißig Briefen 1942- 1965, aber ich lehnte ab, sie im Künstlerkreis der Darmstädter Sezession zu lesen. Nun liest ein Schauspieler meine Abschriften, wenn Kováts Asche schon sechs Wochen in der Erde ist.

Mein Umkreis kaut nur noch Presse- und Fernsehoffenbarungen zum Bier wieder. Die Provinz ist fernsehverseucht und gleichgeschaltet im Denken, besser: im Verdauen, der ewig gleichen Mordnachrichten. Wohin soll man sich retten?

Briefwechsel? Den gibt es nicht mehr.

In Trier Riesenantiquariat. Unfassbar, was Menschen sammeln und Ewigkeitsansprüche fordern für ihre Sächelchen. Undenkbar, nur ein einziges Stück meines Nachlasses dort unterzustellen. Von meinen Büchern einige mit nach Surinam gegeben. Porto ist teuerer als die Bücher.

Halte mir keine Zeitschriften mehr, außer „GEO“, die noch mein Interesse findet.

Man muss eine Inventarliste des Hauses erstellen, man muss ein Testament aufsetzen lassen, man muss alle ausgestellten Rechnungen bezahlen, ohne zu murren.

Meine Begegnung mit Fischer-Dieskau im Engerser Schloss, wo er Gesangsunterricht erteilte, war eine Götterspeise, mit der mein Herz sich nähren konnte. Als ich mit ihm von „Genie“ und „Meister“ sprach, legte er mir seine Hände auf die Schultern. Wer außer ihm singt noch Schubert? Ohren hören nicht mehr. Kann kein Arzt heilen.

Darf ich das Schweigen der Geistes- und Geisterwelt günstig deuten?

Heutzutage muss alles drei bis vier Mal im Leben neu angepasst werden. Neu, wenn auch schlechter oftmals.

Die Briefwechsel der vergangenen Tage offenbaren unsere Schaukeleien zwischen Himmel und Erde.